Siebner Schulklasse spielt Politik – im Nationalratssaal des Bundeshauses
Sie will die Pflicht zum Militärdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer in die Verfassung schreiben. Eine Siebner Klasse der Sek 1 March nimmt gemeinsam mit einer Klasse aus St. Gallen und der Romandie an einem politischen Simulationsspiel teil – direkt im Bundeshaus.
von Franziska Kohler
Bundeshausluft schnuppern und ein selbstgewähltes politisches Ziel verfolgen – die Sekundarklasse S3b der Sek 1 March in Siebnen wird morgen Dienstag in dieser Mission für zwei Tage nach Bern reisen und am Plan- und Simulationsspiel «SpielPolitik!» des Vereins «Schulen nach Bern» teilnehmen, das vom Zentrum für Demokratie Aarau lanciert wurde. Mit von der Partie werden auch eine Klasse aus St. Gallen und eine aus dem neuenburgischen Cernier sein.
Partei gegründet
Mit einem Ausflug in die Bundesstadt allein ist die Arbeit allerdings nicht getan, wie Klassenlehrerin Rahel Umbach verrät. Als erstes mussten ihre Schülerinnen und Schüler für das Planspiel eine Partei gründen. Diese nennt sich «demokratisch-neue Generation» und verortet sich politisch zwischen Mitte und SVP. «Es gibt in der Klasse einzelne, welche das Parteiprogramm im richtigen Leben nicht unterschreiben würden, aber ein Grossteil sieht sich darin widerspiegelt», erklärt Umbach.
In einem nächsten Schritt galt es nun, gemeinsam eine Idee für eine Volksinitiative zu entwickeln. Nach ausgiebigen Diskussionen steht diese nun fest: «Obligatorischer Militärdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer.» Die Klasse möchte damit die Bundesverfassung dahingehend ändern, dass nicht nur wie bislang jeder Schweizer Militärdienst, einen zivilen Ersatzdienst oder eine Abgabe leis-ten muss, sondern alle Schweizer und neu auch Schweizerinnen. Das Argument, dass Frauen physisch nicht in der Lage seien, Militärdienst zu leis-ten, erachtet die Klasse als nicht mehr zeitgemäss.
Unterschriften sammeln
Der Vorschlag kam laut Rahel Umbach ad hoc zur Sprache, ohne grosse Vorrecherche und fand eine grosse Mehrheit in der Klasse. «Wir haben rund drei Lektionen investiert», erklärt sie. In dieser Zeit untersuchte die Klasse die Zuständigkeiten des Bundes und widmeten sich der Bundesverfassung und ihrem Inhalt.
Um die Initiative einreichen zu können, mussten die Jugendlichen erst einmal 100 Unterschriften sammeln – nicht ohne, aber im richtigen politischen Leben wären deren 100 000 nötig. Wie es sich gehört, wurde die Initiative dem Bundesrat offiziell eingereicht – im Planspiel einem Parlamentarier, der sich für «SpielPolitik!» eigens dafür zur Verfügung stellt. Und natürlich gab es auch umgehend eine Antwort: In einer «bundesrätlichen Botschaft» nimmt der «Bund» dazu Stellung (abschlägig) und formuliert einen Gegenentwurf zuhanden der «Bundesversammlung». Der «Bundesbeschluss » sieht im Gegensatz zu den Initianten einen Milizdienst für jeden Schweizer und jede Schweizerin vor.
Kommissionssitzungen in Bern
Wie im richtigen Leben gilt es nun, die Initiative und den Gegenvorschlag in «nationalrätlichen Kommissionen» zu diskutieren – dafür werden die Klassen jeweils in drei Gruppen aufgeteilt. Nach den Sitzungen werden die Ergebnisse der Fraktion – praktischerweise der eigenen Klasse – präsentiert.
«Die Kommissionsarbeit gleicht ein wenig einem Schachspiel», fügt Rahel Umbach an. Die Schülerinnen und Schüler müssen vorausplanen, sich überlegen, welche Argumente die Gegnerinnen und Gegner der Initiative vorbringen könnten.» Diese Etappe des Planspiels findet morgen Dienstag unweit des Bundeshauses im historischen Käfigturm statt, dem Sitz des Polit-Forums Bern. Und es gilt nicht nur die eigene Initiative auf den argumentativen Prüfstand zu stellen. Diskutiert werden auch die Initiativen «Verbot von Puffs [Einweg-E-Zigaretten, Anm. d. Red.] zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und vor allem der Jugendlichen» (OSH, Cernier) und «Besteuerung von Zucker in zuckerhaltigen Getränken und Lebensmitteln » (3b, St. Gallen).
Mehrsprachigkeit kein Hindernis
Da bei «SpielPolitik!» stets Schulklassen aus zwei Sprachregionen teilnehmen, sind auch Fremdsprachenkenntnisse gefordert. Schliesslich bleibt auch freie Zeit, um Freundschaften über den Röstigraben hinweg zu schliessen.
Aber Französisch soll die Argumentationskraft der Ausserschwyzer Klasse natürlich nicht bremsen. Während der Kommissionssitzungen gibt es einen Übersetzungsdienst, der die Argumente zusammenfasst. Und am grossen Tag der «Parlamentsdebatte» und «Abstimmung » am Mittwoch im Nationalratssaal des Bundeshauses wird es wie in der Praxis eine Simultanübersetzung geben.
Tipps von einem Ständerat
Für die Vorbereitung auf diese zwar simulierte, aber dennoch anspruchsvolle Parlamentsarbeit lud die Siebner Klasse einen echten Bundespolitiker ein: SVP-Ständerat Pirmin Schwander erzählte zwei Lektionen lang von seinem politischen Werdegang und wie es so zu und her geht in Bundesbern. Und natürlich stand er den Schülerinnen und Schülern bei Fragen Rede und Antwort.
Eher etwas für ein Wahlfach …
Das Planspiel bedeutet viel Arbeit für die Klasse und auch für Rahel Umbach. «Eigentlich wollte ich mit ihnen nur eine Führung im Bundeshaus machen», erzählt sie. Beim Googeln sei sie dann auf das Angebot gestossen. «Ich finde, die Jugendlichen profitieren enorm, weil sie eben nicht nur Zuschauende, sondern direkt involviert sind», ergänzt sie. Aber eigentlich sei das Angebot eher für ein Wahlfach zu politischer Bildung geeignet – doch im Kanton Schwyz seien solche Wahlfächer nicht vorgesehen. Und die Schülerinnen und Schüler? Diese nehmen es laut Rahel Umbach mit gemischten Gefühlen auf. Nicht alle sei-en politisch gleich interessiert, nicht alle würden gerne vor Gruppen Reden halten. Doch Sorgen macht sich Rahel Umbach deswegen nicht. «Der Funke wird spätestens in Bern überspringen», ist sie überzeugt.
«Die Kommissionsarbeit gleicht ein wenig einem Schachspiel.»
Rahel Umbach
Klassenlehrerin S3b Siebnen
«Eigentlich wollte ich mit der Klasse nur eine Führung im Bundeshaus machen.»
Rahel Umbach
Klassenlehrerin S3b Siebnen