Der «Hockeygott» in der Fussballstadt
Er gilt als Kultfigur und wurde einst beinahe Schweizer Eishockey-Nationaltrainer. Nun mischt Kevin Schläpfer als Sportchef mit dem EHC Basel die Swiss League auf – und will beweisen, dass in der fussballverrückten Stadt auch Spitzeneishockey seinen Platz hat.
Basel und Eishockey – das ist eine komplizierte Symbiose. In der Stadt am Rheinknie dominiert der Fuss-ball. Sportlich steht der FC Basel über allem, egal, ob es ihm läuft oder nicht, so wie jüngst. Mit seiner Strahlkraft sorgt der FCB permanent für Schlagzeilen und zieht die Massen in den St.Jakob-Park.
Nur wenige Hundert Meter entfernt steht auf der anderen Strassenseite die St.Jakob-Arena, die Heimstätte des EHC Basel. Dort wird nicht mit zig Millionen gewirtschaftet. Erst recht nicht, seit der Klub sechs Jahre nach dem Abstieg aus der National League 2014 Konkurs ging. Nach acht Saisons auf Amateurniveau unterhält der EHCB, der 1946 und 1952 dem Gewinn des Schweizer Meistertitels als NLA-Zweiter zwei Mal ganz nahe stand, erst seit zwei Jahren wieder einen Profibetrieb. Er ist jedoch drauf und dran, die Region aus dem Eishockey-Dornröschenschlaf zu erwecken.
«Basel isch Hockey» steht auf einem Plakat, mit dem die Heimspiele beworben werden. Was die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Eishalle derzeit geboten bekommen, ist nicht nur attraktiv, sondern auch erfolgreich. In der zweiten Saison nach dem Aufstieg in die zweitoberste Liga stehen die Basler nach dem 4:2-Sieg am Dienstag in Olten wieder an der Tabellenspitze – mit zwei Punkten Vorsprung auf den letztjährigen Meister La Chaux-de-Fonds und dreizehn auf Olten.
Eine Herzensangelegenheit
Der EHC Basel ist die positive Überraschung in der Swiss League – und das mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln. «Wir wussten, dass es ohne viele Verletzten für die Top 4 reichen könnte. Doch dass es gleich so gut läuft, hätten wir nicht gedacht», sagt Kevin Schläpfer. Der 54-Jährige zeichnet seit Mai für die sportliche Führung im EHC Basel verantwortlich.
Für Schläpfer ist es eine Rückkehr, nachdem er vor 35 Jahren seinem Stammklub den Rücken gekehrt hatte, um durch die Hockey-Schweiz zu touren. Erst als Spieler, später als Sportchef und Trainer, mit besonderem Erfolg in Biel, wo er zum «Hockeygott» aufgestiegen ist. 2016 hätte er Nationaltrainer werden sollen, doch der charismatische Baselbieter sagte unter Tränen ab, weil er Biel die Treue halten wollte.
Nun also verfolgt Kevin Schläpfer mit dem EHC Basel wieder grosse Ziele. Auch wenn er viel unterwegs war, blieb er stets eng mit seiner Heimat verbunden. Das Projekt ist für ihn deshalb «eine Herzensangelegenheit». Trainer in Basel ist mit Eric Himelfarb ein ehemaliger Spieler von Schläpfer. Als Assistent steht dem Kanadier mit Schweizer Pass die ZSC-Legende Michel Zeiter zur Seite.
Hinten und vorne top
Der Start an seiner neuen, alten Wirkungsstätte ist Schläpfer vollends geglückt. All seine Transfers haben eingeschlagen. Dazu verfügt der EHC Basel mit Ligatopskorer Jakob Stukel und Brett Supinski nicht nur über das stärkste Ausländergespann der Liga, sondern mit Fabio Haller und SCB-Leihgabe Andri Henauer auch über das beste Goalieduo. Die Zahlen jedenfalls sprechen für den EHCB, der sechs Runden vor dem Ende der Qualifikation nicht nur am meisten Punkte eingefahren hat, sondern mit einem Torverhältnis von 153:88 auch die beste Offensive und Defensive der Swiss League stellt.
Trotz der ansehnlichen Bilanz seines Teams hebt Schläpfer den Mahnfinger: «Wir dürfen jetzt nicht überheblich werden. Wir sind noch nicht so weit.» Das Heimrecht für die Play-offs haben die Basler bereits auf sicher. «Jetzt wollen wir den nächsten Schritt machen», so Schläpfer. Im letzten Jahr bedeuteten die GCK Lions in den Viertelfinals Endstation. «Diese Saison wollen wir mindestens in den Halbfinal.» Für die Swiss League als Produkt gibt es laut Schläpfer noch «viel, viel zu verbessern, nicht nur was die Vermarktung anbelangt.» Die Abspaltung von der National League sieht er kritisch. «In der Coronazeit wurden Entscheide gefällt, die für die Swiss League nicht förderlich waren.» Schläpfer meint dabei insbesondere die Aufstockung der National League auf 14 Teams. Er ist überzeugt, «dass zwei Zwölferligen für beide Seiten besser wäre.» Der Aufstieg ist für den EHC Basel derzeit kein Thema. Der Klub entschied sich dagegen, bei der Liga ein Aufstiegsgesuch einzureichen. «Das wäre überheblich gewesen», so Schläpfer. Ein Aufstieg nach nur zwei Saisons in der Swiss League käme zu früh. Es scheint, als hätte man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die vier NLA-Jahre zwischen 2003 und 2008 mit Abstieg, direktem Wiederaufstieg sowie 2006 der Play-off-Qualifikation waren wenig nachhaltig und endeten für den Verein letztlich im Konkurs.
«Glaube an Basel als Sportstadt»
In Basel sind sich die Führungsriege um Schläpfer bewusst, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Promotion derzeit nicht gegeben sind. Die Struktur des Klubs bedarf noch Anpassungen. «Wir haben noch überall Potenzial», sagt Schläpfer, der nebst seiner Tätigkeit als Sportchef auch im Nachwuchs als sportlicher Leiter fungiert und nebenbei mit CEO Olivier Schäublin nicht selten bei Sponsoren weibelt. «Um den nächsten Schritt zu machen, brauchen wir mehr Ressourcen, und das wiederum kostet.» Auf der Suche nach neuen Geldgebern hilft selbstredend der sportliche Erfolg. Dieser hat sich zuletzt auch positiv auf den Publikumsaufmarsch ausgewirkt. Das Heimspiel Anfang Jahr gegen Olten sahen sich knapp 4500 Zuschauende an. Im Durchschnitt besuchen knapp 2250 Leute die Spiele in der St.Jakobs-Arena, was einem Plus von rund 600 zur Vorsaison entspricht. Bei der Stadionauslastung besteht mit 34 Prozent weiterhin viel Luft nach oben, vor allem, wenn man bedenkt, dass Basel gemessen an der Einwohnerzahl die drittgrösste Stadt im Land ist. Den FC Basel sieht Schläpfer nicht als Konkurrent – im Gegenteil: «Ich wünsche mir für die Zukunft einen intensiveren Austausch mit dem FCB und bin überzeugt, dass wir gegenseitig voneinander profitieren können», ist sich Schläpfer sicher. «Ich glaube an Basel als Sportstadt.»