Feinkost statt Fish & Chips: Gourmet Bellmont vernascht die Legende
Sport
18. December 2025

Feinkost statt Fish & Chips: Gourmet Bellmont vernascht die Legende

Nach dem historischen Einzug in die zweite Runde bei der Darts-WM ist Stefan Bellmont stolz, dass er auf der grösstmöglichen Bühne gegen Ikone Raymond van Barneveld so stark aufspielen konnte.

Wer durch die grossen, altehrwürdigen Hallen des Alexandra Palace schlendert, dessen Geruchs- und Geschmackssinne werden arg herausgefordert. Während auf der einen Seite Fish & Chips frittiert werden, brutzeln ein paar Meter weiter Burger und Burritos. Und noch etwas weiter ziehen Nacho-Chips meterlange Fäden, ob all dem Käse, der über sie geschüttet wurde.

Es ist quasi ein überdimensioniertes Pub, das zwischen Dezember und Januar auf einem Hügel im Norden Londons errichtet wird, wenn die besten Darts-Spieler der Welt um den Weltmeistertitel kämpfen. Ins Holz des 1875 eröffneten Gebäudes saugt sich schon in den ersten Tagen literweise Bier, sodass dieser penetrante Geruch abgestandenen Gerstensafts bald nur noch schwer aus der Nase zu kriegen ist.

Sprachlos im Siegerraum

Eine Darts-WM ist keine Veranstaltung für kulinarische Feinschmecker und Gourmets. Wobei – am Mittwochabend eben doch irgendwie – zumindest für einen, der sein Lachen kaum mehr aus dem Gesicht bringt.

Stefan Bellmont, gelernter Koch und bester Schweizer Dartsspieler, sitzt um zirka 21.30 Uhr Ortszeit in einem Raum, den nur ganz bestimmte Leute betreten dürfen. Und das rührt nicht daher, dass er mit Teppich ausgekleidet und mit vereinzelten goldenen Verzierungen versehen ist und entsprechend irgendeiner elitären Gruppe vorbehalten wäre.

Vielmehr ist es der Raum, in dem die siegreichen Spieler dieser Darts-WM sich den Medien stellen und über ihr Spiel und ihre Gefühlslage sprechen müssen. Und so sitzt Stefan Bellmont also da, vor sich eine Handvoll Mikrofone verschiedenster internationaler Medien, und sagt als erstes: «Ich habe gar keine Worte dafür, was passiert ist.»

Machtdemonstration am Oche

Der 36-Jährige aus Cham hat es in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge an die Darts-WM geschafft. Ein Event, bei dem er immer davon träumte, einmal auch auf der grossen Bühne zu stehen und seine Pfeile auf die Scheibe zu werfen. Dass er dann auch noch ein Spiel gewinnen und plötzlich bei der internationalen Presse ein gefragter Mann sein könnte – es sind Dinge, mit denen er sich mental offensichtlich gar nicht zu sehr beschäftigen wollte, um nicht Gefahr zu laufen, den Fokus zu verlieren.

Doch Bellmont schreibt an diesem Abend Schweizer Darts-Geschichte. Gegen Raymond van Barneveld, die niederländische Ikone, die den Dartssport über Jahre geprägt und fünf Weltmeistertitel gewonnen hat, gibt der Innerschweizer gerade einmal zwei Legs ab und gewinnt eindrücklich mit 3:0 Sätzen. Nach dem Verlust des ersten Legs, gewinnt «Belli» zwischenzeitlich deren acht in Folge. Im zweiten Leg des dritten Satzes wirft er fünf perfekte Darts de suite ins dreifache 20er-Feld und nimmt seinem Gegner wohl den letzten Hoffnungsschimmer auf ein heroisches Comeback.

«Es ist wunderschön, dass alles so gut geklappt hat», sagt Bellmont, als er dann doch wieder ein paar Worte gefunden hat, um das Geschehene zu beschreiben. «Ich bin sehr stolz auf mich.» Der Zuger weiss, dass er ein Risiko eingegangen ist, als er im Sommer 2024 mit «Belli’s Darts House» sein eigenes Darts-Lokal eröffnete und fortan voll auf den Sport setzte.

Er weiss aber auch, dass es sich offensichtlich ausbezahlt hat. Das hat er in dieser für ihn historischen Saison mit dem Gewinn der Challenge Tour, der zweithöchsten Turnierserie, der Teilnahme am renommierten Grand Slam of Darts in Wolverhampton und der neuerlichen WM-Qualifikation schon mehrfach bewiesen. «Jede dieser Erfahrungen hat mich weitergebracht und dazu beigetragen, dass ich es jetzt geschafft habe, diese erste Runde zu überstehen», sagt Bellmont, der ohne Umschweife zugibt: «Wahrscheinlich ist das der grösste Sieg meiner Karriere.»

Selbstbewusst gegen Heta

Bellmont sagt das aufgrund der Kulisse, der Umstände, des Renommees, das so ein Sieg auf der WM-Bühne mit sich bringt. Ans Geld, das er sich durch den Coup gegen «Barney» erspielt hat, denkt er in diesem Moment kaum. Auch wenn er bei einem einzelnen Turnier noch nie so viel auf einen Schlag erspielt hat: 25’000 Pfund hat er durch den Erstrunden-Erfolg auf sicher.

Einen «Zustupf» nennt es der Schweizer. Schliesslich kämen ab Januar für ihn als einen der 128 Tour-Card-Holder, die für die meisten Turniere der Profitour startberechtigt sind, einiges an Kosten auf ihn zu, wenn er versuchen wird, an Turnieren in ganz Europa möglichst viel Preisgeld zu erspielen, um sich nach zwei Jahren in den Top-64 der Weltrangliste zu halten.

«Daran denke ich aber jetzt noch nicht», sagt Bellmont. Zurecht. Schliesslich darf er am Sonntag ein weiteres Mal mit seinem «Walk-on-Song» «Lift U Up» von Gotthard in den Alexandra Palace einlaufen. Mit ihm auf der Bühne stehen wird in der zweiten Runde Damon Heta. Der Australier ist die Weltnummer 16 und entsprechend klar favorisiert gegen den um 95 Ränge schlechter klassierten Schweizer. Aber «Belli» hat offensichtlich Vertrauen gewonnen: «Wenn ich mein Spiel wieder so abrufen kann wie gegen van Barneveld, kann ich auch gegen Heta gewinnen.»

Als er gefragt wird, wie er sich bis dahin vorbereiten wird, sagt Bellmont, er werde mit seinem Team sicher ein bisschen Sightseeing machen in London, aber auch viele Stunden vor dem Practice Board stehen. Und natürlich am Vorabend das essen, was er als Koch und Gourmet vor einem Spiel immer isst. Bellmont lacht: «Ja, es wird sicher wieder Fisch geben.»