Von Waagzwang und Umgeld: Wie Märkte das Leben prägten
Zwischen Verkaufszwang, Zollgebühren und Marktkontrollen entstand im Mittelalter eine neue Wirtschaftsform. Die Geschichte des Lachner Marktes erzählt von Versorgung, Kontrolle und dem Weg zur Gewerbefreiheit.
Kerstin Ochsner *
Mit dem Aufschwung des Städtebaus und der Ausbreitung der Geldwirtschaft entstanden an grösseren Orten Märkte. Die Leute versorgten sich nun nicht mehr ausschliesslich durch Subsistenzwirtschaft, sondern spezialisierten sich auf einen Wirtschaftszweig wie in hiesiger Gegend auf die Milchund Viehwirtschaft. Notwendige Lebensmittel, welche nicht selbst produziert wurden, konnten fortan auf dem Markt bezogen werden.
Dem seit dem 15. Jahrhundert feststellbaren Markt in Lachen kam aufgrund seiner direkten Lage am Zürichsee für den Kanton Schwyz grosse Bedeutung zu. Die Verkaufsware wurde von den Händlern aus der lokalen Umgebung und aus den umliegenden Städten wie Zürich und Rapperswil per Schiff, Karren oder Fuss direkt auf den Markt geliefert.
Zwang, Kontrolle und Besteuerung des Marktes
Mittels Marktordnungen reglementierte die Landesregierung der March den Kauf und Verkauf. Denn oberste Priorität galt damals dem Konsumentenschutz, indem die Ordnungen den Märchler und Märchlerinnen vor allen Auswärtigen eine ausreichende, qualitative und preiswerte Versorgung garantieren sollten.
Damit der Verkauf über die Krämerstände auch tatsächlich kontrolliert vonstatten ging, herrschte für die Verkaufsware ein Markt- und Waagzwang. Das heisst, dass jegliche Güter nur auf den Marktständen verkauft werden konnten. Vor dem Verkauf wurde die Ware jeweils ausgewogen. Der gesamte Handel und Verkaufsprozess wurde von vereidigten Angestellten wie Zöllner, Waagmeister, Schätzer/Ausmesser/ Fichter sowie Qualitäts- und Produkteprüfer – sogenannte Schauer – genaustens überwacht. Die Kontrolleure und die gesamte Marktinfrastruktur wurden durch Gebühren, welche auf den Verkaufswaren lasteten, finanziert.
Die finanzielle Belastung aufgrund der Besteuerung von Lebensmitteln ist folglich kein Novum des 20.Jahrhunderts, sondern reicht bis ins Mittelalter zurück. Schon damals musste die Handelsware auf dem Handelsweg verzollt werden. Nebst den vielen Weg- und Brückenzöllen zu Land kamen auf dem Markt Gebühren für das Auswägen und Schätzen, den Verkaufsstand sowie die Lagerung in der Sust hinzu. Zusätzlich lastete auf den Gebrauchsgütern – anfänglich auf alkoholische Getränke, später ebenfalls auf Salz, Mehl oder Fleisch etc. – auch noch eine Verbrauchs- und Umsatzsteuer, welche als Umgeld bezeichnet wurde. Die Taxen gaben immer wieder zu Klagen Anlass.
Nebst dem Markt in Lachen spielte für die hiesige ländliche Bevölkerung die Selbstversorgung durch Eigenproduktion weiterhin eine grosse Bedeutung.
Von den Warenmärkten zur Gewerbefreiheit
Im Ancien Régime bot ein dichtes Netz von Messen, Jahr-, Wochen- und Viehmärkten zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten. Nebst lokalen Produkten fan-den in der frühen Neuzeit zunehmend auch Produkte aus Übersee wie Kaffee ihren Weg auf die lokalen Märkte. Es herrschte jedoch keine Marktfreiheit. Denn die Räte versuchten stets fremde Händler am Marktverkauf und den Verkauf von importierten Gütern mit Verboten einzuschränken.
Die strenge Regulierung des Marktverkaufs durch die Landesherren endete mit der erlassenen Gewerbefreiheit im Jahr 1798. Es entstanden dadurch nebst dem Hausierhandel zahlreiche kleine Dorfläden. Aufgrund der täglichen Einkaufsmöglichkeiten ging die Selbstversorgung zunehmend zurück.
Einfluss der Industrialisierung auf das Warenangebot
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert mit der damit verbundenen Massenproduktion änderte sich auch die Produktepalette, so dass einstige Qualitätsprodukte durch Billigware, Ramsch und Trödel ersetzt wurden. Lediglich technische Hindernisse und die hohen Transportkosten verhinderten den Import von einigen Massengütern bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts.
Ab 1900 entstanden schweizweit viele spezialisierte Gewerbemärkte, welche nicht nur den Warenverkauf ausführten, sondern gleichzeitig auch Produktwerbung und Warenausstellungen tätigten.
* Kerstin Ochsner ist Bezirksarchivarin des Bezirks March. Quellen und Literatur: Hegner, Regula: Geschichte der March unter schwyzerischer Oberhoheit, Einsiedeln 1953. Landolt, Oliver: Nahrungsmittel als Besteuerungsobjekte, in: Schwyzer Hefte, Band 101, S. 22-25. Bezirksarchiv March, BEZ.03.C.18.1.
«Der Markt in Lachen war aufgrund seiner Lage bedeutend.» «Sowohl der Handel als auch der Verkaufsprozess wurden überwacht.»