23 000
Wo sollen Windräder gebaut werden können?
Daniel Fischli
B
is Ende Juli können sich alle Glarnerinnen und Glarner zu verschiedenen geplanten Anpassungen im Richtplan des Kantons äussern. Am stärksten umstritten dürfte dabei sein, dass die Linthebene wieder zu einem möglichen Standort für Windenergie werden soll. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.
Der Kanton Glarus fasst drei Gebiete ins Auge, in denen Windkraftwerke gebaut werden könnten. Es handelt sich um Gebiete, die schon bisher diskutiert worden sind: Das Gebiet «Bilten West» liegt zwischen Bilten und Reichenburg, das Gebiet «Bilten Ost» zwischen Bilten und Niederurnen und das Gebiet «Glarner Vorab» hinten an Tschinglen und östlich des Vorabs.
In einer Studie sind verschiedene Gebiete im Kanton darauf untersucht worden, wie viel Energie gewonnen werden kann, ob die Gebiete bereits erschlossen sind und ob Schutzinteressen überwiegen. So ist etwa ein Gebiet im Riet zwischen Niederurnen und Weesen nicht aufgenommen worden, weil das Verhältnis zwischen Nutzungsinteressen und Schutzinteressen ungünstig sei. Die drei geeigneten Gebiete sollen jetzt im Richt-plan des Kantons eingetragen werden.
Was zeichnet die drei Gebiete aus?
Das Gebiet «Bilten Ost», zwischen Bilten und Niederurnen, ist im Kanton am besten für die Produktion von Windenergie geeignet. Auf knapp zwei Quadratkilometern könnte genug Strom produziert werden, um mehr als 10 000 Haushalte zu versorgen.
Am zweitbesten hat das Gebiet «Bilten West» zwischen Bilten und Reichenburg abgeschnitten. Dort könnte auf einem knappen Quadrat-kilometer Fläche Strom für mehr als 6000Haushalte produziert werden. In «Bilten West» besteht aber das Problem, dass der Flugplatz Schänis nur etwa 1,5 Kilometer entfernt liegt. Deshalb soll dieses Gebiet erst bedingt in den Richtplan aufgenommen werden. Bevor es definitiv aufgenommen werden kann, braucht es Absprachen mit dem Flugplatz und mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt.
Im Gebiet «Glarner Vorab» könnte auf einer Fläche von rund 0,8 Quadratkilometern Strom für etwa 6000 Haushalte produziert werden. Das Gebiet liegt zwar im Hochgebirge auf mehr als 2500 Metern über Meer. Es ist aber von der Bündner Seite her durch die Bergbahnen Flims-Laax-Falera bereits erschlossen.
Wenn das Potenzial aller drei Gebiete voll ausgeschöpft würde, könnte Strom für 23 000 Haushalte produziert werden. Das sind mehr als alle Glarner Haushalte. Die Produktion entspricht etwa der Produktion des Löntschwerks in Netstal oder einem Zehntel der heutigen Stromproduktion im Kanton.
Werden jetzt Windräder gebaut?
Nein, noch nicht. Bevor Windräder gebaut werden können, müssen noch mehrere Hürden übersprungen werden. Wenn die Eintragung der Eignungsgebiete im Richtplan vom Landrat beschlossen und vom Bund genehmigt ist, können die Gemeinden ihre Nutzungspläne entsprechend anpassen. Dafür braucht es einen Beschluss der Gemeindeversammlung. Wenn ein Investor, zum Beispiel ein Elektrizitätswerk, ein konkretes Projekt vorlegt, muss ein Baubewilligungsverfahren durchlaufen werden.
Für das Gebiet «Bilten West», in dem ein Nutzungskonflikt mit dem Flugplatz Schänis vorliegt, braucht es ausserdem noch einmal einen Beschluss des Landrates, sobald die bestehenden Probleme gelöst sind.
War da nicht schon einmal etwas?
Schon im gültigen Glarner Richtplan ist das Gebiet «Vorab» eingetragen, allerdings noch nicht als definitive Festsetzung. Und für die beiden Gebiete in Bilten hat die St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) bis 2019 unter dem Namen Linthwind ein Projekt für den Bau von bis zu fünf Windrädern verfolgt. Nach einer erbitterten Opposition aus der Bevölkerung hat der Glarner Land-rat dann aber– auf Antrag der Regierung – die Gebiete nicht in den neuen kantonalen Richtplan übernommen und dem Projekt damit die Grundlage entzogen. Die Regierung hatte damals argumentiert, Windenergieanlagen zwischen Siedlungsgebieten seien zu vermeiden.
Im Landrat machten sich damals die noch bestehende BDP, die GLP und die Grünen für die Windenergie stark. Opposition ist von der SVP und der CVP gekommen. 24 Landrätinnen stimmten für die Festschreibung im Richtplan, 30 votierten für die Streichung.
Nur fünf Jahre zuvor hat es überhaupt keinen Widerstand gegeben, als die Gemeinde Glarus Nord das Gebiet in ihrem Richtplan als für die Windenergie geeignet bezeichnet hatte.
Weshalb scheidet der Kanton die Eignungsgebiete für Windenergie aus?
Der Kanton Glarus geht die Revision des Richtplanes nicht nur aus eigenem Antrieb an. Denn der Bund verpflichtet die Kantone, für Windkraftwerke geeignete Gebiete in ihren Richtplänen festzulegen. Der Kanton seinerseits wirbt aber durchaus für die Windenergie. In den Unterlagen zur jetzt vorgelegten Richtplanänderung heisst es, die Windkraft vermindere die Abhängigkeit vom Ausland, sie bringe der Region Wertschöpfung und sie helfe, die Produktionslücke im Winter zu schliessen.
Nicht zuletzt haben die Schweizer Stimmberechtigten im Juni 2024 das neue Stromversorgungsgesetz angenommen. Sie haben sich damit für den Ausbau der Solar- und der Windenergie ausgesprochen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Revision des Richtplanes umfasst mehr als die Festlegung der Gebiete für Windenergie. Die anderen Teile sind aber bei Weitem weniger umstritten. Die Revision befindet sich bis Ende Juli in der sogenannten öffentlichen Mitwirkung. Dabei können alle Interessierten Stellungnahmen abgeben. Es finden dazu zwei Informationsveranstaltungen in Näfels und in Schwanden statt.
Gleichzeitig mit der Mitwirkung befindet sich die Revision beim Bund in der Vorprüfung. Die Ergebnisse aus den beiden Verfahren werden ausgewertet, und anschliessend verabschiedet der Regierungsrat die Revision zuhanden des Landrates. Im günstigsten Fall könnte der Landrat Anfang des nächsten Jahres beraten. Am Ende muss der Bund die Revision genehmigen.
Damit Windräder gebaut werden können, braucht es aber noch Anpassungen in den Nutzungsplanungen der beiden betroffenen Gemeinden Glarus Nord und Glarus Süd. Und schliesslich braucht es einen Investor, der ein Projekt anstösst oder wie allenfalls die SAK wieder aus der Schublade nimmt.
Gibt es Widerstand?
Das Projekt der SAK für Bilten war 2017 bis 2019 einer starken Opposition durch den Verein Linth Gegenwind ausgesetzt. Die Windräder würden die Landschaft verschandeln, Emissionen wie Lärm oder Schattenwurf verursachen sowie Vögel und Fledermäuse töten, so die Argumente. Es ist anzunehmen, dass jetzt der Widerstand wieder erwachen wird, standen damals doch zum Teil dieselben Personen dahinter, die heute noch in den Kantonen Schwyz und St.Gallen gegen Windkraftanlagen kämpfen.
Was ist in der Linthebene im Kanton Schwyz geplant?
Wenn der Glarner Teil der Linthebene für Windkraftwerke geeignet ist, ist es naheliegend, dass dies auch für den Schwyzer und den St.Galler Teil gilt. Im Richtplan des Kantons Schwyz sind die beiden Gebiete «Linthebene Nord» und «Linthebene Süd» eingetragen. Ersteres liegt bei Tuggen und letzteres bei Buttikon und Reichenburg. «Linthebene Süd» schliesst fast an das Glarner Gebiet «Bilten West» an. Beide Schwyzer Gebiete sind aber noch keine definitiven Festsetzungen im Richt-plan.
Der Kanton St. Gallen hat ein Gebiet zwischen Schänis und dem Linthkanal festgelegt. Es ist von den beiden Glarner Gebieten «Bilten West» und «Bilten Ost» durch die Linth getrennt. Wie die Gebiete im Kanton Schwyz ist auch das Gebiet Schänis noch keine definitive Festsetzung.
2019 haben sich Regierung und Landrat gegen Windräder in Niederurnen und Bilten ausgesprochen. Jetzt lanciert die Glarner Regierung das Thema wieder. Bis gebaut werden kann, sind noch Hürden zu überwinden.
Haushalte
könnten mit Strom versorgt werden, wenn das Potenzial aller drei Gebiete voll ausgeschöpft würde.