Er läuft «Engadiner» auch mit Fieber
Seit der Premiere 1969 hat Ruedi Nuolf sämtliche Editionen des Engadin Skimarathon absolviert. Auch von Fieber oder einem beim Morgenessen verpassten Frühstart der Konkurrenz lässt sich der 78-jährige Engadiner nicht stoppen. Ein Hausbesuch.
Ein wenig erhöht über Scuol bittet ein bestens gelaunter Ruedi Nuolf zum Sinnieren über mehr als ein halbes Jahrhundert Langlauftradition. Seit 2009 hat der energiegeladene Rentner hier in Vulpera zusammen mit Ehefrau Rosa sein Wohndomizil. Und ja, das Appartement ist auch ein wenig ein Museum des Langlaufsports. An der Wand hängt die Urkunde zur 50.Teilnahme am Engadin Skimarathon. Extra für den Gesprächstermin hat der aus Sent stammende Unterengadiner jede Menge Erinnerungsstücke hervorgeholt. Kein Zweifel: Für den 78-jährigen Einheimischen ist die Teilnahme an «seinem» Lauf eine Herzensangelegenheit. Und dies seit der Premiere 1969 Jahr für Jahr.
Zur Premiere überredet
Das Bestresultat am Engadin Skimarathon? «Ich erwähne es immer wieder gerne, dass ich schon unter die besten 1000 Läufern klassiert war», sagt er mit einem lauten Lachen. Die Pointe: Nuolf erzielte dieses Ergebnis bei der Premie-re 1969, als sich rund 900 Personen beim Start einfanden. «Es war noch ein etwas anderer Parcours, der mehr durch den Wald und nicht über die gefrorenen Seen führte», erinnert er sich. Ein Kollege hatte den damals in Champfèr wohnhaften, nicht mit dem Langlaufsport vertrauten Nuolf zur Teilnahme animiert. Das tat der Neueinsteiger auf rudimentären Holzlatten und mit bloss etwa 15 Trainingstagen in den Beinen. Doch die Basis für eine langjährige Liaison war gelegt. «Es entwickelte sich alles sehr rasant mit dem Anlass und den Teilnehmerzahlen », sagt Nuolf.
Vielseitig unterwegs
Ein richtiger Spitzenläufer war Nuolf definitiv nie. Amüsiert präsentiert er Aufnahmen von sich im grünen Traineranzug, den er über viele Jahre trug. Das Material habe sich extrem entwickelt in all den Jahren. «In den Anfangszeiten benötigte ich bedeutend länger für die Strecke als in späteren Jahren», sagt Nuolf. Sportlich unterwegs war er über Jahre auch auf seinem Rennrad im Kanton. Die Bergklassiker von Ilanz nach Vals oder von Chur nach Arosa absolvierte er öfters. Ebenso war Nuolf ein begeisterter Pistolenschütze. Mit einem Schweizer Meistertitel in der Gruppe in den Achtzigerjahren als Krönung, wie er gerne erwähnt. Die zahlreichen Trophäen aus dem Schiesssport hat er indes allesamt entsorgt.
Erste Startnummer aufbewahrt
Die Erinnerungsstücke des Engadin Skimarathon hält Nuolf in Ehren. Stolz präsentiert er sämtliche Startnummern, auch diejenige der Premiere 1969 ist logischerweise dabei. «Das war damals einfach so, dass man die Dinge aufbewahrt hat», sagt Ruedi Nuolf fast entschuldigend. Mit den Jahren wurde die Anzahl jener Läuferinnen und Läufer, die sich immer am Start einfanden, kleiner und kleiner. Dementsprechend wuchs das Interesse auch der Medien an Dauerläufer Nuolf. TV-Teams waren schon vor Ort. Printmedien melden sich für eine Geschichte. «Er geniesst diesen Stellenwert durchaus», sagt seine Ehefrau. Der rüstige Langlaufrentner widerspricht dem nicht und sagt: «Wenn ich den Engadiner Skimarathon laufe, muss ich jeweils dermassen viele mir bekannte Personen am Streckenrand per Handschlag begrüssen, dass ich kaum vorankomme.» Oft entscheidet Nuolf in Pontresina spontan, ob er es bei einem Halbmarathon belässt oder die kompletten 42 Kilometer bis ins Ziel nach S-chanf absolvieren will. Für dieses Jahr ist die Hauptdistanz fest im Visier. Es wäre das erste Mal seit 2019. Das Training wurde für dieses Ziel intensiviert. «Er hat so viel investiert wie seit Jahren nicht mehr», verrät die Ehefrau.
Ein leeres Startgelände
Aus 53 Teilnahmen gibt es viele Anekdoten zu erzählen. Nuolf erinnert sich besonders gerne an jene Episode, als er nach dem Morgenessen ein erschreckend leeres Startgelände in Maloja vorfand. Was war passiert? «Die Läufer waren eine Viertelstunde zu früh gestartet. Ich bekam das nicht mit und habe ein wenig später auch den Wettkampf aufgenommen», sagt er mit einem Lachen im Gesicht. Stürze im Stazerwald gab es natürlich auch. Schlimme Verletzungen blieben aber aus. Auf die Zähne beissen musste er in all den Jahren definitiv für seinen Rekord. «Ich bin den Marathon einst mit Fieber gelaufen», gesteht Nuolf.
Dies alles unternimmt Nuolf, um seine einmalige Serie im Engadin zu verlängern. Gedanken an Rücktritt? Doch, die seien auch schon da gewesen, beispielsweise nach der 50. Austragung. Die Pläne wurden schnell ad acta gelegt. Seinen Status als Dauerläufer in der Heimat ohne Not kampflos preisgeben will er nicht.
«Wenn ich den Skimarathon laufe, muss ich viele mir bekannte Personen am Streckenrand per Handschlag begrüssen, sodass ich kaum vorankomme.»
Ruedi Nuolf
Langläufer aus Vulpera