Absprungzone im Weitsprung erregt die Gemüter
Sport
7. March 2025

Absprungzone im Weitsprung erregt die Gemüter

Die Mehrkämpferin Annik Kälin setzt an der Hallen-EM in Apeldoorn auf den Weitsprung. Eine Disziplin, welche derzeit die Gemüter erregt.

In den Niederlanden muss sie im Gegensatz zu Berlin den Wettkampf nicht boykottieren, denn statt einer Absprungzone gibt es einen traditionellen Absprungbalken. Am Freitagmorgen steht die Qualifikation an.

Die Disziplin Weitsprung sorgt derzeit für Diskussionsstoff und erregt die Gemüter. Es wird an den Regeln herumgepröbelt, was vielen nicht passt oder einigen gar sauer aufstösst. Zu Letzteren gehört auch Annik Kälin. Aus Protest hatte die Bündnerin vor einem Monat ihre Teilnahme am Meeting in Berlin abgesagt, weil sie kurzfristig von der Umstellung von Absprungbalken auf Absprungzone erfuhr.

«Als junge Athletin kann ich dieses Projekt nicht unterstützen, sinnvolle Innovation ist das nicht», lässt sie ihre Anhängerschaft per Instagram wissen. «Es ist schade, dass es die Weitsprung-Familie teilt und sich die Athleten gegeneinander positionieren müssen.»

«Ich finde gut, was Annik gemacht hat», sagt Simon Ehammer ein paar Tage später an der Medienkonferenz zu den Schweizer Hallen-Meisterschaften. «Ich habe wenige Athleten gehört, die positiv darüber sprechen. Wie auch ich, ich bin kein Freund davon.»

40 statt 20 Zentimeter

World Athletics will den Weitsprung fürs Publikum attraktiver machen. Sebastian Coe, Präsident des Weltverbands, machte den Vorschlag dieser Neuerung auch, weil bei der WM 2023 etwa jeder dritte Sprung ungültig war. Das langweilt. Die Idee: Statt eines Absprungbalkens gibt es eine Absprungzone, die 40 cm breit ist. Darin darf man von überall abheben. Gemessen wird durch Kameras von dort, wo der Fuss beim Take-off war, statt vom fixen Balken aus. Da aber ein Balken eingefärbt ist, könnte auch bestimmt werden, welches die Weite nach der gängigen Methode wäre.

Einer der Ersten, der Coes Idee zerzauste, war Carl Lewis. Der Amerikaner, der in den Achtziger- und Neunziger-Jahren fünf der acht besten Weiten der Geschichte dieser Disziplin erzielte und Coe als Leichtathletik-Star ablöste, nannte die Neuerung einen «Aprilscherz» und fragte süffisant: «Sollte man die Körbe im Basketball auch vergrössern, weil sie die Spieler bei ihren Freiwürfen verfehlen?»

Doch warum sind so viele Aktive gegen die Änderung, die zu weiteren Sprüngen führen würden? Fehlt die Bereitschaft, Traditionen für eine Neuerung über Bord zu werfen? Coe hat schon immer betont, dass die Leute den Sport heute anders konsumieren würden und die Leichtathletik mithalten müsse, um die Gunst des Publikums zu erhalten.

Präzision als zentrales Element

«Es gehört zu den Fähigkeiten der Weitspringer und Weltspringerinnen, mit hoher Geschwindigkeit anzulaufen und punktgenau abzuspringen. Für die Zuschauer sehe ich keinen Gewinn an Attraktivität, die Spannung ist beim bisherigen 20-cm-Balken sogar höher», lieferte Annik Kälin Gründe für ihren Startverzicht nach. In der Tat bleibt das Publikum beim Zonenabsprung eine Zeit lang im Ungewissen, da man die Weite nicht mehr einschätzen kann.

Lewis meint, man würde den Weitsprung mit der Änderung von einer der schwersten zu einer der einfachsten Disziplinen der Leichtathletik machen. Auch für Ehammer ist Weitsprung eben mehr als Anlauf-Geschwindigkeit und Sprungkraft. «Der Weitsprung lebt von der absoluten Perfektion. Davon, den Anlauf so zu optimieren, dass man vorne einen perfekten Absprung hat und dann eine super Weite schafft. Da gehören ungültige Versuche und solche, wo man mal 15, 20 Zentimeter verschenkt, dazu.»

Weniger Technik, mehr Speed: Das scheint auch für Swiss Athletics nicht der richtige Weg zu sein, wie Philipp Bandi, Chef Leistungssport beim Verband, gegenüber «Blick» sagt: «Wir erachten es als wichtig und richtig, dass sich die Leichtathletik weiterentwickelt und in unserer Sportart neue Formate getestet werden. In diesem konkreten Fall sind wir jedoch skeptisch, ob die Wettkämpfe dadurch spannender und fairer werden.»

Neben Fragen der Spannung und der Fairness kommt auch jene der Machbarkeit hinzu. Wer kann sich die Kameras für die Messungen beim Zonenabsprung überhaupt leisten? Bei Top-Meetings oder internationalen Titelkämpfen mag dies der Fall sein, danach ist aber schon bald Schluss. Die Umstellung auf Zonenabsprung wäre nicht einfach zu bewerkstelligen, auch wenn man wollte.

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