Hilfspolizist kann nerven
Piep. Piep. Piep: Das Auto warnt, weil der Lenker nicht angeschnallt ist. Piep. Piep. Piep: Das Auto warnt, weil die Tür bei laufendem Motor offen ist. Piep. Piep. Piep: Das Auto warnt, wenn die Fahrerin einer Mauer nahekommt. Piep. Piep. Piep: Das Auto warnt vor einem Fussgänger im to-ten Winkel. Piep. Piep. Piep: Das Auto warnt, weil die (gestrichelte) Mittellinie leicht überquert wird. Diese Piep-Show war den EU-Sicherheitsaposteln aber noch nicht genug. Seit letztem Sommer müssen alle Neuwagen in den Ländern der Europäischen Union mit dem «intelligenten Geschwindigkeitsassistenten » ausgestattet sein. Dieser meldet sich lautstark, sobald man die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Mit dieser Massnahme erhoffen sich die EU-Verkehrsminister eine Reduktion der Verkehrstoten, bis das Ziel von null im Jahr 2050 erreicht ist. In den letzten Jahren starben auf Europas Strassen jährlich rund 20000 Menschen. In der Schweiz waren es durchschnittlich 220. Die Schweiz gehört zwar nicht zur EU. Aufgrund eines bilateralen Abkommens zum Abbau technischer Handelshemmnisse gelten die meis-ten fahrzeugtechnischen Vorschriften aber auch in unserem Land. Eine Ausnahme bildet der Tempo-Hilfspolizist. Dieser ist nicht in die Schweizer Vorschriften übernommen worden. Das schützt Herrn und Frau Schweizer aber dennoch nicht vor einem «Pieps-Tinnitus». Da der Schweizer Markt zu klein ist für eine Sonderlösung, werden auch in der Schweiz die Neuwagen mit dem piepsenden Tempoüberwacher ausgeliefert. Das Einzige, was den Störenfried zum Schweigen bringt, ist das manuelle Ausschalten. Das muss man dann aber bei jedem Starten des Motors machen.
«Das macht keine Freude»
«Die neue Regelung mit dem Piepston macht keine Freude und nervt alle », sagt Rainer Mader, Geschäftsführer von Auto Walser in Wangs. Die Kunden und Kundinnen würden diese Vorschrift als Bevormundung empfinden. «Es gibt einige, die sich deswegen nicht für einen Neuwagen, sondern für ein älteres Modell entscheiden», betont Mader. Für ihn ist der Sinn des Geschwindigkeitsassistenten nicht nachvollziehbar. «Wer ihn nicht will, kann ihn ausser Betrieb nehmen. Da hinterfrage ich den wahren Nutzen stark.» Wenn sich alle über den Hilfspolizisten nerven und er in der Schweiz nicht obligatorisch ist, könnte man ihn doch in der Werkstatt deaktivieren lassen. «Das ist bei uns nicht möglich. Über die Software ist der Geschwindigkeitsassistent nicht bearbeitbar», so Mader. Eine nachträgliche Deaktivierung ist ohnehin riskant, weil in die Sicherheitssoftware des Fahrzeuges eingegriffen wird, was bei einem Unfall Auswirkungen auf die Versicherungsleistungen haben könnte. «Es gibt viele gute Sicherheitssysteme, die beim Fahren einen Mehrwert generieren. Dieser Tempoassistent gehört aber mit Sicherheit nicht dazu, sondern verteuert nur das Auto», sagt Mader.
«Braucht Angewöhnungszeit»
Das Ganze etwas entspannter sieht Urs Raschle. Der Geschäftsführer der Garage Raschle in Walenstadt und gleichzeitig Präsident der regionalen Garagistenvereinigung erachtet das Piepsen des Tempo-Hilfspolizisten nicht als sonder-lich schlimm. «Wir haben dieses Update nun einmal und müssen damit leben», äussert sich Raschle.«Es braucht eine gewisse Angewöhnungszeit. Dann nimmt man das Piepsen nicht mehr wahr. Und wen es immer noch stört, kann es ja wegdrücken.» Er habe nur sehr wenige Kunden, die deswegen vom Kauf eines neuen Wagens absehen würden. Viel mehr als das Piepsen stören Raschle die Bürokraten in Brüssel. «Mich nervt, dass Leute Gesetze erlassen, die von der ganzen Sache nichts verste-hen. » Auch der intelligente Geschwindigkeitsassistent versteht nicht alles und funktioniert nicht reibungslos. Das tut der Gurtwarner aber ebenso wenig. Bei ihm kommt es nicht selten vor, dass die Einkaufstasche den Alarm auslöst und die Banane oder das Brot angeschnallt werden müssen. Häufiger ist, dass die Kameras am Auto die Temposchilder nicht richtig lesen können. Dann ist guter Rat teuer: Entweder man schleicht mit 60 km/h und hupenden Lastwagen im Schlepptau weiter oder man fährt die erlaubten 80 km/h und löst ein piepsendes Inferno aus. Wie auch immer: Jeder Fahrer und jede Fahrerin eines neuen Wagens wird jeden Tag daran erinnert, wie Brüssel im Alltag nerven will. Piep. Piep. Piep.
Seit letztem Sommer gilt für alle Neuwagen eine neue EU-Regel. Die Autos müssen mit einem «intelligenten Geschwindigkeitsassistenten» ausgerüstet sein.