«Der einfältige Fischchnusperli-Verkäufer»
Michel Péclard führt viele Restaurants wie jenes auf der Ufnau. Bild Taddeo Cerletti
Ausserschwyz
27. May 2024

«Der einfältige Fischchnusperli-Verkäufer»

Gastrokönig Michel Péclard, der zahlreiche Restaurants am Zürichsee betreibt, ist eine umstrittene Person. Nun erscheint eine Biografie über den Buchhalter und Beizer.

Nein, nicht schon wieder ein Péclard am See!» Mit der Kritik am Zürcher Gastronomen kokettiert das biografische Buch über Michel Péclard bereits auf den ersten Seiten. Péclard ist der Beizer am Zürichsee. Fast 20 Restaurants führt er – in der Stadt Zürich und rund um den See bis auf die Insel Ufnau.

Und nun wird auch noch ein Buch über den 55-Jährigen veröffentlicht: «Die einen gönnen sich einen Porsche. Ich leiste mir ein Buch über mich», steht bereits auf der ersten Seite. Dabei ist das nur die halbe Wahrheit: Autor Christian Gerig wird zwar direkt vom Gastronomen bezahlt, indem Péclard ihm eine Einkommensgarantie gibt, doch die Idee kam von Gerig selbst.

Gerigs Frau führt das Restaurant La Salle in Zürich, dadurch hat er einen gewissen Einblick in die Branche: «Ich esse zwar am liebsten Bratwurst, doch die Gastrobranche, die mit so minimalen Margen auskommen muss, hat mich schon immer interessiert.»

Geboren «ohne goldenen Löffel»

«Der Beizer ohne Geschmack – Die erfolgreichen Fischzüge des Michel Péclard» soll ein Buch über die Gastrobranche sein, «aufgehängt an einer bekannten Person», sagt der Autor.

Auf 227 Seiten dreht sich alles um Leben und Werden des Michel Péclard, der, so Gerig, «ohne goldenen Löffel» auf die Welt kam. «Geboren wurde er in eine Mittelstandsfamilie!» Weshalb diese Aussage ein Ausrufezeichen benötigt, erschliesst sich nicht. Gerig schreibt gern plakativ, das ist so weit unterhaltsam und liest sich leicht. Doch es sind sehr viele Seiten mit etwas (zu) vielen thematischen Wiederholungen.

Gleich am Anfang stellt der Journalist Gerig, der Péclard für eine frühere Artikel-Recherche kennen lernte und ihn nun als Freund bezeichnet, die Frage: «Warum wird auf den erfolgreichen Gastrounternehmer permanent grundlos eingedroschen?» Und beantwortet sie ganz am Ende des Buches so: «Péclard reizt seine Neider und seine Bewunderer.» Für die einen sei er «ein einfältiger Fischchnusperli- Verkäufer» und ein «hochnäsiges Grossmaul», für die anderen ein «Traumchef» und eine Persönlichkeit «mit viel Mut und einem grossen Herzen».

Er sei «unerfassbar und unfassbar», schreibt Gerig im Buch, habe sprunghafte Gedanken und sei mit seiner ruppigen Art «für die meisten Leute einfach zu viel». Insofern sei er an seinem Arschloch-Image nicht ganz unschuldig. Doch gleichzeitig habe er eine ansteckende Energie, sei mitreissend, gewinnend und in jeder Beziehung verlässlich – «vor allem als Freund». Gerig hat für sein Werk mit Péclard selbst gesprochen, mit seiner Familie, seinen Weggefährten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Lieferanten. Er beschreibt Péclards Farbenblindheit, seinen «rudimentär ausgebildeten Geschmackssinn », aber auch sein Flair für Zahlen. Viele Kritikpunkte, seine «kurze Lunte» oder dass er nicht zuhören kann, werden sehr explizit dargelegt.

Péclard findet, das Buch sei «schon sehr hart». Zeitweise liest es sich jedoch eher wie eine Verteidigungsschrift, denn Gerig versucht die Kritik an Péclard immer wieder zu entkräften. Auch dunkle Kapitel in Péclards Geschichte werden erwähnt: Besonders schlecht kommen seine Eltern weg, die im Buch mehrmals als lieblose und kalte «Kopfmenschen» beschrieben werden.

Sehr prägend sei für Péclard der Verlust seiner geliebten Cousine und ersten Geschäftspartnerin, Janka Schenker, gewesen. Sie verstarb 2014 an Krebs. Péclard sagt dazu: «Ich habe das Buch inzwischen schon zehnmal gelesen, doch noch immer kommen mir die Tränen.» Gerig schreibt, Janka Schenker wäre Péclards Liebe des Lebens geworden, wäre sie nicht seine Cousine gewesen. Mit Schenker begann Péclards Gastrokarriere: Die beiden hatten am Zürifest 1994 einen Stand mit Spiessli, die innert kürzester Zeit ausverkauft waren. Der Erfolg brachte den ausgebildeten Buchhalter auf den Geschmack – 1998 eröffnete er zusammen mit Schenker die Grillbeiz Pump-station an Zürichs Seepromenade.

Péclard durfte nicht mitreden

Seit Janka Schenkers Tod lasse er fast niemanden mehr an sich heran, um sich vor Verletzungen zu schützen, schreibt Gerig. Umso mehr erstaunt, dass Péclard die Offenheit dieses Buchs zugelassen hat. Wobei sein derzeitiges Privatleben darin nicht stattfindet. Gerigs Bedingung als Autor: dass Péclard nicht in die Texte eingreifen würde. «Ich durfte nicht mitreden», bestätigt Péclard, «und daran habe ich mich auch gehalten.» Er wolle mit dem Buch jungen Menschen Mut machen, etwas zu wagen in der Gastronomie. Denn als Dozent an der Hotelfachschule Luzern habe er so oft erlebt, dass fähige junge Menschen den ersehnten Schritt in die Selbstständigkeit dann doch nicht machen. Dass dieser sich lohnt, auch das sagt Péclard im Buch: «Ich bin ein Glückspilz, ich habe den besten Job der Welt.»

Christian Gerig: «Der Beizer ohne Geschmack – Die erfolgreichen Fischzüge des Michel Péclard», 225 Seiten, Münster-Verlag.