Ein Sieg zur richtigen Zeit
Sport
18. December 2023

Ein Sieg zur richtigen Zeit

Der zweite Weltcupsieg von Jasmine Flury ist in vielerlei Hinsicht wichtig.

Ein Kommentar

von Roman Michel, Leiter Sport

Ziemlich genau sechs Jahre muss-te sie sich gedulden. Oder genau: 2198 Tage. Nach ihrem Premierensieg beim Super-G von St.Moritz steht Jasmine Flury am Samstag bei der Abfahrt von Val d’Isère zum zweiten Mal in ihrer Karriere zuoberst auf dem Weltcuppodest. Es ist ein Sieg zum richtigen Zeitpunkt – in vielerlei Hinsicht.

Im Februar dieses Jahres gewann die Bündnerin sensationell WM-Gold. Es war ein Erfolg, der für viele aus dem Nichts kam. Die Zeitung «Le Temps» titelte: «Die Weltmeisterin, auf die die Schweiz nicht wartete. » Sehr schnell liess der überraschende Triumph auch Kritiker auf den Plan kommen. Flury sei ein «One-Hit-Wonder», hiess es über die neue Weltmeisterin, die im Weltcup noch nie auf einem Abfahrtspodest gestanden hatte. Flurys Lieblingssong ist nicht «Lemon Tree» (Fool’s Garden) oder «Take on Me» (A-ha). Sondern «Remember the Name» der berühmten US-Band Fort Minor. So steht es auf ihrem Profil auf der Verbandsseite. Mit ihrem ersten Abfahrtsweltcupsieg sorgt Flury dafür, dass wir uns noch länger an sie erinnern werden. Und lässt die Kritiker verstummen.

Der WM-Titel hat für Flury einiges verändert. Jeder wollte plötzlich etwas von der bodenständigen Athletin aus dem beschaulichen Davos Monstein, diesem Dorf, das nicht mehr als 200 Einwohnerinnen und Einwohner hat. Es gab einen Empfang in der Heimat, Flury in der Pferdekutsche. Bei einem Ligaspiel des HC Davos wurde sie gefeiert, inklusive Puckeinwurf. Die «Schweizer Illustrierte» kam zu Besuch. Flury nahm im Sommer bewusst Tempo raus, reiste in einem Bus durch Korsika. Der Sieg in den ersten Wochen der neuen Saison zeigt: alles richtig gemacht.

Das gilt auch in Sachen Material. Ausgerechnet nach ihrem grössten Triumph der Karriere wechselte Flury ihre Skimarke. Sie fährt nun auf Kästle-Ski. Es war ein Entscheid nicht ohne Risiken. Das zeigte in der vergangenen Saison etwa Flurys Teamkollegin Michelle Gisin, die nach einem Markenwechsel überhaupt nicht auf Touren kann. Val d’Isère bewies: Der Materialpoker ist aufgegangen.