Die einen informieren, die anderen bleiben zu Hause
(V. l.) Gemeindeschreiber Thomas Bollmann, Gemeindepräsident Christian Marty, Gemeinderat Ruedi Ott, Gemeinderätin Franziska Zingg, Vize-GP Michael Hess, Gemeinderätin Alice Nauer und Säckelmeister Guido Rusch. Bild M. Wassner
Ausserschwyz, Erste Seite
17. November 2023

Die einen informieren, die anderen bleiben zu Hause

Beim Informationsabend «Gemeindewahlen 2024» musste Gemeindepräsident Christian Marty das Problem nicht beschreiben. Es reichte ein Blick in den Saal. Er war leer. Fast. Um die zehn Besucher hat-ten sich eingefunden. 60 Plätze waren vorbereitet, gerechnet hatte man mit mindestens 30 Besuchern. Marty zieht sein Programm trotzdem durch. Schon der österreichische Sänger Falco sagte: «Bestrafe nie die wenigen, die gekommen sind, für die vielen, die es nicht getan haben.» An die Wand projiziert: ein Organigramm, Skelett des politischen Prozesses.

Ein Geben und Nehmen

Das Stellenprofil «Gemeinderatsmitglied » ist ein Bild der Unmöglichkeit.

In Reinform sei das nicht zu erfüllen, räumt Marty ein. Es solle zeigen, wie komplex das Amt ist. Die, die ohnehin nicht da sind, könnten jetzt schon abgeschreckt sein. Gesucht wird eine Persönlichkeit, die überlegt kommuniziert, Führungsqualitäten mitbringt, strategisch denkt, lösungsorientiert und belastbar ist. Und natürlich zeitlich flexibel. Der Zeitaufwand sei nicht zu unterschätzen, rund 25 Prozent, teilweise schwankend, inklusive Präsenz auf der Verwaltung auch an Wochentagen und zu Bürozeiten. Marty fasst das Offensichtliche zusammen: «Das Amt ist gross und komplex. Die Anforderungen sind nicht gering. Auch die repräsentativen Aufgaben sind nicht zu unterschätzen.» Vize-Gemeindepräsident Michael Hess ist seit fünfeinhalb Jahren dabei. Er konstatiert zwar ein grundsätzliches Interesse. Aber dann kämen immer gleich die Gründe gegen ein Engagement. «Der heutige Abend zeigt die Problematik. Wir kommen nicht an die Menschen ran.» Gemeindeschreiber Thomas Bollmann ergänzt: «Die Leute wollen immer wissen, wie viele Sitzungen es seien und wann.» Obwohl «die Leute» heute gar nicht da sind, gibt er ein Beispiel: das Thema Alterszentrum. «Das wird sicherlich zehn Abende geben. Dazu kommt die Verantwortung, die man mitträgt.» All der Aufwand bringe aber auch einen Mehrwert. Marty spricht von 32000Franken Entschädigung im Jahr plus Sozialleistungen. Man dürfe ausserdem Kollegialität und Unterstützung durch den Gesamtgemeinderat und die Verwaltung erwarten. Auch persönlich bringe einen das Amt weiter.

«Alle» machen mit Gemeinderat ist ein Amt mit Grenzen. Die Welt könne man nicht verändern. Marty sagt: «Viele Projekte werden über die eigene Amtszeit hinaus behandelt und können nicht final gelöst werden.» Dann beteiligt sich das «Publikum». Ein Besucher fragt nach den Kompetenzen der Kommissionen. Die müssten grösser sein, Stichwort: Finanzkompetenz. Fehlt die, senke das die Motivation, sich zu engagieren. Bollmann antwortet, man beschäftige sich damit. Einer, der das Leid der Gemeindepolitiker kennt, ist Kantonsrat Thomas Grieder von der FDP Wollerau. «Auch wir tun uns schwer, Leute zu fin-den. » Ein anderer Zuhörer – jetzt sind bald alle durch – plädiert dafür, die Bevölkerung besser zu informieren über Anlässe wie diesen, zum Beispiel mittels Flyern und Social Media.

Ein sportlicher Zeitplan

Fehlende Kandidaten sind ein landesweites Problem. Ein Grossteil der 2000 Schweizer Gemeinden hat Schwierigkeiten damit, Menschen zu finden, die sich engagieren. Vor allem die junge Bevölkerung und Frauen sind unterrepräsentiert. Die Gründe sind vielschichtig. Dazu gehören mangelndes Wissen, holprige Rekrutierung und das Argument Nummer eins: fehlende Zeit.

Zurück zur Personalsituation im Wollerauer Gemeinderat: Alice Nauer kandidiert nicht mehr, Pascale Baumgartner und Michael Hess sind noch bis Ende Juni 2026 gewählt. Alle anderen stellen sich wieder zur Verfügung – Christian Marty, Guido Rusch, Ruedi Ott, Franziska Zingg. Gemeindeschreiber Bollmann erklärt die Abläufe. Bis Mitte Februar müssen die Wahlvorschläge bei der Gemeindeverwaltung eingegangen sein. «Es ist uns bewusst, dass die Zeit sportlich ist. Immerhin ist dazwischen noch Weihnachten.» Die Behörden und Kommissionen werden dann am 1. Juli durch den Gemeinderat gewählt. Der Informationsteil des Informationsabends ist zu Ende – Apéro. Schlange stehen muss niemand. Das ist die gute Nachricht.

Am Mittwoch sprach der Gemeinderat Wollerau im «Verenahof» über fehlende Kandidaten für die Wahlen im nächsten Jahr. Leider tat er das vor fehlendem Publikum. Über eine problematische Entwicklung.

«Der heutige Abend zeigt die Problematik.»

Michael Hess

Vize-Gemeindepräsident, Wollerau