Fähigkeiten aus dem Alltag nutzen
Sarah Hefti weiss: Die Fähigkeiten sind da. Sie müssen nur erkannt und genutzt werden. Bild Michel Wassner
Ausserschwyz, Erste Seite
19. July 2023

Fähigkeiten aus dem Alltag nutzen

Wer es schafft, einen Familienalltag zu managen, kann dies auch im beruflichen Umfeld nutzen. Wer gelernt hat, mit den eigenen Kindern so zu sprechen, dass sie es verstehen, kann das überall einsetzen. In der Kindererziehung, sagt Sarah Hefti, Coachin und werdende betriebliche Mentorin, trainiere man das Tag für Tag. Klingt nach dem Offensichtlichen? Schon, aber man müsse sich erstmal dieser Fähigkeiten bewusst werden, so die Wangnerin. Der Familienalltag sei eine Skills-Schmiede. Präsentiert hat sie ihr Konzept der «Parental Skills» im Rahmen eines Wettbewerbs zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. (mwa) Der Ideen-Wettbewerb «Wunsch-Schloss» such-te nach Möglichkeiten zur Lösung des schweizweiten Fachkräftemangels. Sarah Hefti aus Wangen mach-te mit. Sie gewann nicht. Ihre Idee ist gut. Es geht um «Parental Skills». Was Eltern im Familienalltag leben, an Fähigkeiten erwerben, ist überall einzusetzen, unter anderem in der Personalentwicklung.

In ihrem Garten erzählt Sarah Hefti mehr. «Elterliche Führungskompetenz heisst, Skills in einer unglaublichen Intensität selbst zu entwickeln.» Die Elternrolle lasse sich nicht kündigen. Ein Beispiel wäre die «adressatengerechte Kommunikation», oder einfach gesagt: So reden, dass das Gegenüber es versteht, gleich welchen Alters. «In der Kindererziehung trainiere ich das Tag für Tag. Es wird zu einer Fähigkeit, die sich überall einsetzen lässt, genauso wie agiles Management.» Für Eltern sei keine Woche planbar. Man müsse anpassungsfähig sein, flexibel und schnell reagieren können. Tönt einleuchtend. Hätte man schon früher mal draufkommen können, oder? «Man muss sich erstmal dieser Fähigkeiten bewusst werden.» Dann der Satz, fast ein Label: «Der Familienalltag ist eine Skills-Schmiede.»

Klare Win-win-Situation

Sarah Hefti hat drei Kinder, 11, 13 und 16. Sie selbst ist 45, sagt, das sei ein lässiges Alter. Überhaupt müsse Alter neu gedacht werden. «25 bis 40 ist die Rushhour des Lebens. Das ist die steils-te Zeit für die Karriereleiter. Aber es ist eben auch die Zeit, in der die Kinder kommen. Das braucht eine nachhaltige Karriere- beziehungsweise Familienplanung. » Und der Zug sei nach der Kinderzeit eben noch nicht abgefahren.

Konkret sprechen wir bei Parental Skills von Dingen, die Mütter und Väter täglich trainieren, um den Alltag zu bewältigen, Geduld und Belastbarkeit zum Beispiel. Und Hefti räumt mit einem weiteren Missverständnis auf: «Ein freier Tag für einen Vater ist kein Ferientag, sondern Weiterbildung in Sozialkompetenz.» Und da triviale Beispiele die besten sind: Kinder abholen, Essen vorbereiten, Job, Auto in die Werkstatt, bei Hausaufgaben helfen, Freizeitgestaltung. «Kinder sollen selbstständig werden. Das muss ich ihnen vorleben. Bilde ich Leute im Beruf aus, ist das nicht anders.»

Lage spitzt sich zu

In der Schweiz liegt die Arbeitslosigkeit aktuell bei 2,1 Prozent. Trotzdem bestehe Grund zum Handeln, sagt der Wettbewerbsveranstalter «Wunsch-Schloss». In den Mangelberufen gibt es immer weniger qualifizierte Menschen, um offene Stellen zu beset-zen. Ihr Konzept, sagt Hefti, sei eine Möglichkeit, mehr Frauen und Männer für Mangelberufe zu begeistern. In ihrer Familie habe das funktioniert, ihr Mann liess sich zum Lehrer umschulen. «Die Vereinbarkeit ist bereits gut für den Lehrerberuf. Anders in der Baubranche. Da heisst es, Teilzeitmitarbeiter bedeuten in erster Linie einen grossen Planungsaufwand. Aber: Wenn ein Posten auf mehrere Stellen verteilt wird, gilt das auch fürs Know-how, das nennt sich Job-Sharing.» Neue Ideen provozieren Widerstände. Es brauche ein Umdenken, seitens der Gesellschaft, bei Politikern wie Arbeitgebern. Das gelte in allen Branchen. Zum Beispiel: «Präsenzzeit ist kein Leistungsnachweis. Solche alten Vorstellungen müssen aufgebrochen werden. Homeoffice funktioniert.» Das wisse man nicht erst seit der Pandemie. «Natürlich habe ich schon Widerstände gespürt. Auch gegen Teilzeitmodelle. Obwohl erwiesen ist: Die Arbeitsleistung nimmt mit Teilzeit zu.» Und letztlich gewinnen auch die Unternehmen. Denn: «Flexible Arbeitgeberinnen werden von Arbeitnehmern geschätzt und umgekehrt. Mitarbeiterzufrieden-heit und -treue steigen. » Zu einer reinen Geschlechterdebatte soll das übrigens nicht werden. «Paare müssen für sich herausfinden, was für sie passt. Wenn’s funktioniert, ist es eine Win-win-Situation », so Hefti. «Das Problem vieler Mütter lässt sich beschreiben: Nachdem sie ein paar Monate oder Jahre zuhause waren, ändert sich das Mind-set. Alle sehen in ihr nur noch die Mutter. Aber sie hat weitere Kompetenzen entwickelt. Dafür muss ein Bewusstsein entstehen. Diese Fähigkeiten müssen sichtbar gemacht werden.» Und Hefti warnt: «Wir sind erst am Anfang des Fachkräftemangels.»

Es gibt noch viel zu tun

Schliesslich geht es noch um Tanja Isler. Mit ihrer Idee einer Lehre für Quereinsteiger hat sie den Wettbewerb gewonnen. Ihr Konzept sieht eine berufsbegleitende Lehre vor. Aber das kostet. «Die Betriebe müssen bereit sein, auch mehr Geld zu zahlen. Es gibt Berechnungen um die 3000 Franken Lohn plus Zuschüsse, zum Beispiel von Seiten des Branchenverbands.» Eine Branche, wo das sehr gut funktioniert: Lehrpersonen. «So eine Umorientierung kann beflügeln», erzählt Sarah Hefti, bezogen auf ihren Mann. Sie selbst ist aktuell daran, Lehrgänge zu entwickeln. «Bis jetzt biete ich Elternkurse an, um den Familienalltag mit mehr Gelassenheit zu bewältigen.» Bei «Übergang ins Elternsein» gehe es um berufliche und private Vorstellungen, um Rollenmanagement. «Das kann schwierig sein, gerade in der Anfangsphase. Aber es werden ‹Parental Skills› erworben, das hat Potenzial.»

Wer den Fachkräftemangel im Land nachhaltig bekämpfen will, denkt in grösseren Dimensionen. Denn es geht nicht nur darum, etwa mehr Lehrer auszubilden. Man muss die Perspektive erweitern.