Ausserschwyz, no bild
20. June 2025

Lieber Götti

Wollerau, im Juni 2025

Isst du gerne auswärts? Ich so mittel. Kommt darauf an, ob sie Ketchup haben. Das gibt’s im Fall, Restaurants ohne Ketchup. Einmal waren wir an einem total gesunden Ort. Da machten sie das Ketchup selber und servierten es in seinem sehr natürlichen braunen Schüsselchen, das du nachher essen kannst. Vielleicht schmeckte das wenigstens. Das Bio-Ketchup war ziemlich scheusslich. Stell dir vor, ich fand darin drei Kernchen von den verarbeiteten Tomaten.

Beim Ketchup von Heinz ist mir das noch nie passiert. Die Flasche am besten auf den Deckel stellen, ein bisschen schütteln und schon schlängelt sich ein dünnes rotes Würstchen aus dem kleinen Loch auf den Teller oder direkt auf die Pommes. Manchmal kommt vor dem Würstchen noch etwas gelbliche Flüssigkeit. Das ist entweder Essig, oder das Datum ist abgelaufen.

Besser Kernchen im Ketchup als einen Zigarettenstummel im Brot», sagt Tante Martha. Bei ihr war das mal so. Der Arbeiter des Becks sei halt ein Raucher gewesen. Und da könne schon mal etwas passieren, wenn du allein bist mit den Knetmaschinen morgens um drei oder so. Tante Martha hat’s überlebt, genau wie die Pizza mit Hundefutter aus Pfäffikon und den Zehennagel eines Güggels in einem McChicken-Menü bei McDonald’s in Zürich. Pech gehabt. Sie bekam zum Trost einen Gutschein für ein neues Menü, den sie jedoch nie eingezogen hat.

Meine Mutter möchte bald einmal in der neuen «Luegeten» hineinschauen, dieses Restaurant hoch über Pfäffikon, das lange leer herumstand. Man könnte es mit einer Wanderung über den Etzelpass verbinden. So auf dem Heimweg von Einsiedeln. Bloss, wer aus Wollerau läuft zuerst den steilen Weg nach Pfäffikon hinunter, wenn er vom Etzel kommt, nur um in der «Luegeten» vorbeizuschauen?

Unser Weg führt immer über Schindellegi oder vielleicht noch Feusisberg und dann beim «Büel» vorbei, das jetzt auch noch «Paradies» heisst. Es gibt dort regionale Küche und persische Spezialitäten. Persien ist der frühere Name von Iran. Die Hauptstadt ist Teheran. Und dort ist es seit dem letzten Freitag gefährlich. Einmal schossen die Israeli direkt in die iranische Tagesschau. Die Sprecherin ist erschrocken, aufgestanden und hinaus gegangen. Kannst du alles auf dem Bildschirm mitschauen. Auch die Lichter von den Raketen, und wenn die Abwehr in Israel eine trifft. «In der Ukraine und in Russland läuft das ganz anders», sagt mein Vater. Weniger wie beim Gamen. Mehr wie im Zweiten Weltkrieg. Ich musste dann ins Bett.

Ob man Glück oder Pech hat, kann man leider nicht voraus wissen. Gilt auch für die Ferien.

Das grösste Glück ist, dass wir überhaupt haben. Fünf Wochen. Sie beginnen sehr bald. Wir überlegen schon eine ganze Weile. Alle. Mit dem Flugzeug gehen wir eher nicht. Wir sind vier Leute. Mindestens zweieinhalb mit Flugangst. Wer darf auf den Sitz 11A sitzen? Das ist der mit dem Überlebenden aus Indien. Sein Bruder sass anderswo im gleichen Flugzeug. Er ist tot, genau wie die übrigen 241 Menschen.

Meine Mutter möchte mit dem Zug nach Napoli. Aber dort ist ein Vulkan namens Vesuv aktiv und stösst Lava und Asche aus. In der Gegend sind auch die Phlegräischen Felder. Das ist ein Supervulkan, in dem es schon länger brodelt und die Erde hochhebt. Ferien dort finde ich etwas ungemütlich. Zudem wären wir nicht die ersten Schwyzer, die in einen Vulkan fallen, warnt Tante Martha. Ein Lehrer von der Stiftsschule Einsiedeln tat es schon vor 50 Jahren in Sizilien. Er hiess Ludwig und stürzte in den Ätna.

Das Unglück lauert überall.

Wenn zum Beispiel eine Turnerin am Turnfest in Lausanne vom Barren fällt oder beim Eidgenössischen Schwingfest in Glarus der Schoggimuni schmilzt. Ein bisschen gefährlich kann es immer sein. Vielleicht bleiben wir besser daheim und brauchen das Geld für einen neuen Computer.

Tante Martha findet das eine ganz gute Idee. Wenigstens das mit dem Daheimbleiben: «Als ich Kind war», sagte sie, «hatte die Swissair acht Düsenflugzeuge des Modells Caravelle. Es gab nur so zweimal in der Woche einen dünnen Kondensstreifen am Himmel. Es ging uns trotzdem gut. Einige waren gegen Pocken geimpft, gegen Tuberkulose und mit Zucker gegen Kinderlähmung. Die Büros schlossen um fünf. Dann war richtig Feierabend. Im Bus von Richterswil und im Zug von Zürich beantwortete keiner zuerst noch 50 Mails. Wenn die Väter heimkamen, bekamen sie ein Bier, Aufschnitt, Butter, frisches Brot und einen dicken Stumpen von Villiger. Vielleicht hätten wir dort stoppen können», überlegt sich Tante Martha. «Wer braucht denn mehr als acht Düsenjets, ein Handy oder ein Notebook. Dafür ein total blauer Himmel.»

Die Kanaren, die Azoren und die Kapverden brauchen wir nicht. Das Inseli vor der Wollerauer Badi in Bäch schwimmend zu erreichen, ist mein Ziel. Und: Der Wirt von der «Luegeten» wollte übrigens in den Iran in die Herbstferien, weiss mein Vater. Schauen, wie sie dort das Schaffleisch grillieren. Hoffen wir, bis er kommt, grillieren sie noch.

Wer weiss. Manchmal kommt die Einsicht plötzlich. Unser Gemeinderat hat es vorgemacht. Man denkt nun gemeinsam über die Umfahrung unseres Dorfes nach. DEO wird angeschaut.

Auch sonst wünsche ich dir ein richtig friedliches Wochenende mit einem sauberen blauen Schweizer Himmel über dir.

Viele Grüsse Philipp