Alpin-Direktor Flatscher hebt trotz Dominanz den Mahnfinger
Hans Flatscher, Alpin-Direktor von Swiss-Ski, zieht eine sehr positive Bilanz zur WM 2025 in Saalbach. Ein Gespräch über Teamgeist, Konkurrenz und den Umgang mit Druck.
Hans Flatscher, mit 13 Medaillen sind es die zweiterfolgreichsten Weltmeisterschaften in der Geschichte von Swiss-Ski. Es ist fast alles aufgegangen.
«Ich glaube schon, dass wir eine sehr gute Performance hingelegt haben. Wir haben schon eine sehr gute Weltcupsaison hinter uns. Aber wir alle wissen: Eine WM hat ihre eigenen Gesetze. Wir haben im Teamwettkampf gut begonnen und konnten den Lauf weiterziehen. Alles in allem sind wir sehr froh und können wir stolz sein.»
Mit neuneinhalb Medaillen – zählen wir den Teamwettkampf zur Hälfte – haben vor allem die Schweizer Männer abgeliefert. Sie wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und haben dem Druck standgehalten. Keine Selbstverständlichkeit.
«Es ist sicherlich eine günstige Voraussetzung, dass sie im Vorfeld in der Weltcupsaison performt haben. Dadurch steigen aber auch Erwartung und Druck. Es wird selbstverständlich, dass immer mindestens zwei auf dem Podest stehen. Aber das ist es eben nicht. Es ist immer eine neue Strecke, es sind stets neue Gegebenheiten. Man kann schon sagen, ein WM-Rennen sei wie ein normales Weltcup-Rennen. Aber jeder, der schon mal eine WM miterlebt hat, weiss, du kannst den Druck gar nicht wegnehmen, der ist einfach da. Es ist ein spezieller Anlass. Wie sie dann abgeliefert haben, mit immensem Einsatz, mit immensem Risiko, all-in – das ist etwas, das mich besonders stolz macht.»
Weniger gut lief es bei den Frauen. Bis auf den Doppelsieg im Slalom war es eine meist enttäuschende Vorstellung der Athletinnen von Swiss-Ski.
«Enttäuschung ist ein hartes Wort. Wir sind in den Speed-Disziplinen nicht mit einer Handvoll Trümpfe angereist. Zum Teil konnten wir auch nicht die Leistungen abrufen, die wir imstande gewesen wären. Und dann ist man schnell nicht auf dem Podest. Am Ende zählen an Weltmeisterschaften nur die Medaillen. Somit waren die Resultate in den Speedrennen der Frauen nicht zufriedenstellend.»
Es ist ein offenes Geheimnis, dass es bei den Frauen Arbeit gibt.
«Ja, das ist so. Wir sind sicher auf der Speed-Seite etwas dünn aufgestellt und hoffen, dass auf die nächste Saison wieder alle fit und voll einsatzbereit sind. In der zweiten Reihe werden wir intensiv arbeiten, damit wir irgendwann wieder mit einer Athletin wie Malorie Blanc aufwarten können. Schliesslich müssen wir einen Übergang finden, wenn irgendwann die eine oder andere aufhört. Das wird eine Herausforderung. Aber uns wurde vor nicht allzu langer Zeit auch im Slalom prognostiziert, dass es eine Lücke geben wird.»
Die Schweiz schwingt im Medaillenspiegel klar obenaus, hat dominiert, was Sie ja sicherlich freut. Doch: Wie wichtig ist starke Konkurrenz?
«Der Schein trügt, die Konkurrenz ist schon da. Wir haben an dieser WM gesehen, wie schnell es gehen kann. Im Moment haben wir einfach ein sehr starkes Team und geht alles auf.»
Welche konkreten Geschichten bleiben Ihnen von dieser WM besonders in Erinnerung?
«Da gibt es viele. Jene von Camille Rast und Thomas Tumler etwa, die schon sehr tief gefallen sind und nun ihre grössten Erfolge feiern konnten. Aber auch Marco Odermatt im Super-G, wo wir vier Trümpfe hatten, am Ende aber nur einer gestochen hat. Der aber so grandios, dass er alle in den Schatten stellt. Dann auf der Abfahrt die jungen Franjo von Allmen und Alexis Monney, die so ‘andrücken’, dass es einem das Fürchten lehrt. Die Team-Kombination der Frauen mit Lara Gut-Behrami und Wendy Holdener war auch eine schöne Geschichte. Nicht zu vergessen der Doppelsieg im Slalom der Frauen.»
Sie haben die Team-Kombination der Männer vergessen. Der Schweizer Dreifachsieg war eindrücklich wie sinnbildlich…
«… und gerechtfertigt, wenn man sich die Saison anschaut. Für die Involvierten war es grandios. Wenn du als Rennfahrer das erleben kannst, mit fünf deiner Kollegen da oben auf dem Podest zu stehen… Und wenn dann Loïc Meillard sagt, er sei beim Riesenslalom in Adelboden als Führender vor dem zweiten Lauf weniger nervös gewesen als vor dem Slalom in der Team-Kombination, dann zeigt das, was das für ein Team ist, wie die zueinander stehen.»
Es ist der viel zitierte Teamgeist, den sie leben und den man ihnen auch abnimmt.
«Der Teamspirit hilft das ganze Jahr. Erfolgreich skifahren kann man nur, wenn man mit Freude bei der Sache und gerne zusammen ist, mit einer Begeisterung Rennen fährt.»
Kommt im Sommer jeweils ein «Feel-good-Spezialist», der Seminare durchführt?
«Davon halte ich weniger (schmunzelt). Ich bin ein Befürworter von praxisnahen Massnahmen: Wie finde ich eine Situation vor und wie handle ich sie am besten.»
Dann haben Sie die Aktion nach der Abfahrt der Männer, als sich Fahrer und Betreuer gegenseitig extravagante Frisuren verpasst haben, befürwortet? Das war ja schliesslich praxisnah.
(Lacht laut). «Von befürworten kann man da nicht sprechen. Ich bin nicht mal gefragt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Das ist einfach passiert, ob ich wollte oder nicht. Das hatten sie abgemacht und waren schon bereit für die Aktion. Da gab es kein Zurück mehr.»
Ihr persönliches Fazit zur WM 2025 in Saalbach?
«Es war eine sehr erfolgreiche und aussergewöhnliche WM. Ich hoffe, dass wir mit unseren Leistungen die Jungen inspirieren konnten. Der Skisport kann viel bewegen. Gleichzeitig möchte ich den Mahnfinger heben. Es geht sehr schnell. Dann beginnt eine neue Saison, ein neues Rennen. Wir müssen uns in vielen Bereichen strecken und dranbleiben. Sonst sind wir schneller wieder weg als wir dort waren, wo wir heute sind.»