Odermatt wartet weiter auf den ersten Sieg auf der Streif
Marco Odermatt darf trotz deutlicher Bestzeit nur gut zwei Minuten auf den ersten Abfahrts-Sieg in Kitzbühel hoffen. Er braucht nach der Traumfahrt von Cyprien Sarrazin Zeit, um sich zu sammeln.
Kein Wölkchen trübte an diesem eiskalten Wintertag den Himmel über der mythischen Piste Streif, die sich in perfektem Zustand präsentierte. Ebenso nach Perfektion strebte Weltcup-Überflieger Marco Odermatt. Umso mehr, als es ihm tags zuvor in der ersten Hahnenkamm-Abfahrt mit Rang 3 nicht wie gewünscht gelaufen war.
Der 26-jährige Schweizer stellte danach für die Reprise am Samstag ein angepasstes Set-up in Aussicht, um vom ersten Tor an Vollgas geben zu können. Odermatt zeigte definitiv eine bessere Fahrt als am Freitag, wenn auch im obersten Streckenteil mit Mausefalle und Steilhang wiederum nicht perfekt, da er tendenziell zu rund fuhr. Dennoch übernahm er mit mehr als 1,3 Sekunden Vorsprung die Führung.
Kopfschütteln bei Odermatt
So intensiv und ausgelassen er danach im Zielraum auch jubelte, so schnell sollten sich für den Abfahrts-Weltmeister die Aussichten auf den Premieren-Sieg auf der Streif verdüstern. Der Applaus der 45’000 Zuschauer am Hahnenkamm war kaum verstummt, da startete schon Cyprien Sarrazin. Der Franzose, der spätestens seit Wengen auf Wolke sieben schwebt, unterbot Odermatts Zwischenzeiten deutlich – und lag im Ziel um 0,91 Sekunden vorne.
Statt auf den Leaderthron begab sich der Schweizer, der ob des grossen Abstands zu Sarrazin geschockt wirkte, sofort in den Bereich des abgesperrten Fahrer-Korridors, wo sich die Swiss-Ski-Crew installiert hatte. Noch Minuten später stand Odermatt, in Gedanken versunken und immer wieder leicht mit dem Kopf schüttelnd, einfach nur da – und blickte Richtung Berg.
Zufriedenheit erst nach einigen Minuten
Ob Justin Murisier, der nach missglücktem Steilhang selber mit seiner Leistung haderte, Swiss-Ski-Geschäftsführer Walter Reusser, der sich bei seinem Vorzeige-Athleten über das Befinden erkundigen wollte, oder andere Team-Betreuer, die in aller Kürze ein paar tröstende Worte aussprachen – niemandem schenkte Odermatt volle Aufmerksamkeit. Zu fest war dieser noch mit der Verarbeitung des soeben Geschehenen beschäftigt.
Doch das Wesen eines Champions zeigt sich gerade auch in der Niederlage. Wobei das Wort Niederlage keinesfalls mit Odermatts Rangierung korrespondiert. Jeder andere Fahrer – ausser der nun zweifache Hahnenkamm-Sieger Sarrazin – hätte den 2. Platz mit Handkuss genommen. Odermatt gab danach zu, dass es bei ihm tatsächlich ein paar Minuten gedauert habe, «bis ich mit meiner Platzierung zufrieden war. Ein weiteres Mal in Kitzbühel auf dem Podest, das ist doch genial. Aber eben: Heute, vor dieser tollen Kulisse, bei schönstem Wetter und coolem Schnee, war der Sieg mein Ziel.»
Sarrazin: «Fast wie ein Künstler»
Er habe von Odermatts Fahrt nichts gesehen, sagte Sarrazin. «Ich bin davon ausgegangen, dass ihm eine starke Fahrt gelungen ist. Dennoch blieb ich auf mich fokussiert. Ich wollte einfach meinen Lauf durchziehen, aber auf eine sichere Art. Alles lief perfekt und leicht. Ich habe Kurven geschnitten, so wie ich es gerne mache und wofür ich lebe», so der Franzose, der sich «fast wie ein Künstler» fühlte.
Bemerkenswert: Sarrazin hat im Weltcup erst 14 Abfahrten bestritten, je sieben in der letzten und aktuellen Saison. Dreimal gewann er – vor dem Doppelerfolg in Kitzbühel gelang ihm die Siegpremiere Ende Dezember in Bormio -, dazu stand er letzte Woche in Wengen zweimal als Zweiter auf dem Podest. Zum Vergleich: Der fast auf den Tag genau drei Jahre jüngere Odermatt startete bislang zu 41 Weltcup-Abfahrten. Neben den zwei Siegen am Lauberhorn hat er noch 13 weitere Top-3-Platzierungen vorzuweisen.