Zahlungsflüsse bleiben im Wirecard-Prozess ein Rätsel
Im Wirecard-Prozess bleibt die zentrale Frage rätselhaft, welche Täter wie viel Geld auf die Seite schafften oder erdichteten: Am Mittwoch vernahmen die Münchner Richter per Videoübertragung eine Zeugin in Thailand.
Der Name der 32 Jahre alten Jongkolnee Rothab taucht zwar in Wirecard-Dokumenten und auf Kontoauszügen auf. Doch die Verkäuferin erklärte, weder Wirecard zu kennen, noch Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, seine zwei Mitangeklagten, andere ehemalige Wirecard-Mitarbeiter oder überhaupt jemanden aus Deutschland.
«Das ist nicht meine Unterschrift», sagte die junge Frau mehrfach – laut Dolmetscher – zu den vorgehaltenen Dokumenten. Den Unterlagen zufolge war sie ehedem Direktorin eines Unternehmens, an das Wirecard-Gelder geflossen sein könnten.
«Nein» antwortete sie auch auf die Frage des Vorsitzenden Richter Markus Födisch, ob sie jemals Direktorin irgendeines Unternehmens gewesen sei.
Die 32-Jährige sass in einem Konferenzraum der thailändischen Generalstaatsanwaltschaft in Bangkok. Ihre Aussage wurde auf eine Leinwand in den Münchner Gerichtssaal übertragen.
In dem seit über 13 Monaten andauernden Prozess beschuldigen sich Braun und der Kronzeuge Oliver Bellenhaus gegenseitig: Laut Bellenhaus war Braun massgebliches Mitglied der Wirecard-Betrügerbande. Braun zufolge waren Bellenhaus, der untergetauchte Vertriebsvorstand Jan Marsalek und deren Komplizen die wahren Täter, die ohne Wissen des Vorstandschefs Unsummen an Firmengeldern veruntreuten.
Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm beschuldigte anschliessend Bellenhaus, seine Aktivitäten mittels «Strohfrauen» verdeckt zu haben: «Ich glaube, dass die Zeugin Rothab in Folge einer Totalfälschung in die Unterlagen gekommen ist.»
Im grössten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte sind Braun, Bellenhaus und der ehemalige Chefbuchhalter des Konzerns wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Bandenbetrugs angeklagt. Laut Anklage sollen sie seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Kommende Woche will die Kammer erstmals einen Manager aus Südostasien in Person vernehmen.