Not in Gaza verschärft sich – USA lehnen Waffenstillstand ab
Im heftig bombardierten und umkämpften Gazastreifen wird die Not der palästinensischen Zivilbevölkerung immer schlimmer. Die Versorgung der Menschen steht nach Angaben von Hilfsorganisationen vor dem Kollaps. Die Verzweiflung sei gross, weil es nicht nur an Essen mangele, sondern auch an Platz. Zufluchtsräume seien überfüllt, schilderte der Vize-Direktor des Welternährungsprogramms (WFP), Carl Skau. Kritik richtete sich am Samstag zunehmend gegen die USA, die als wichtigster Verbündeter Israels trotz der verheerenden Lage im Gazastreifen im Weltsicherheitsrat ihr Veto gegen einen Resolutionsentwurf für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand eingelegt hatten.
Die USA befürworten humanitäre Feuerpausen, derzeit aber keinen permanenten Waffenstillstand. Dieser würde aus Sicht der Regierung in Washington der islamistischen Hamas in die Hände spielen und ihr ermöglichen, sich neu aufzustellen für weitere Angriffe auf Israel.
Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zu Gaza verübt hatten. Auf israelischer Seite sind in der Folge mehr als 1200 Menschen getötet worden, darunter mindestens 850 Zivilisten. Bei Israels Gegenangriffen sind nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen fast 17 490 Menschen getötet worden. Die Zahl lässt sich derzeit nicht unabhängig prüfen.
Berichte über heftige Kämpfe im Süden des Gazastreifens
Israelische Bodentruppen sind derzeit im Norden und Süden des Gazastreifens im Einsatz und werden dabei von der Luftwaffe unterstützt. Es gibt Berichte über heftige Kämpfe in Chan Junis im Süden. Der Ort gilt als eine Hochburg der islamistischen Terrororganisation Hamas. Im Süden befinden sich aber auch viele Zivilisten, die nach Beginn der Bodenoffensive Israels als Reaktion auf den beispiellosen Angriff der Hamas dorthin geflüchtet sind.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bei israelischen Angriffen binnen 24 Stunden 133 weitere Menschen getötet. Neben den Toten wurden auch rund 260 Verletzte in Krankenhäuser gebracht, wie die Behörde mitteilte. Die meisten der Angriffe erfolgten demnach im zentralen und südlichen Teil des Küstenstreifens. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
WFP: Die Menschen hungern
Die Lage im Gazastreifen beschrieb WFP-Vize-Direktor Skau nach einem Besuch in dem Gebiet als «unhaltbar». «Wir brauchen unsere Hilfsgüter und einen humanitären Waffenstillstand», schrieb er auf der Plattform X. Die Hälfte der Bevölkerung hungere, sagte er dem US-Sender CNN. Man könne die Angst in den Augen der Kindern sehen, man könne sie förmlich riechen. Die Menschen wüssten nicht, wohin sie gehen sollten. «Überall sind Menschen. Die Notunterkünfte sind überfüllt, Menschen kampieren auf den Strassen.» In einem entsprechenden Zustand befänden sich die Toiletten. Dazu jeden Tag im Hintergrund das dumpfe Donnern der Bombenangriffe, schilderte Skau.
Auch die humanitäre Arbeit stehe kurz vor dem Zusammenbruch. Da nur ein Bruchteil der nötigen Nahrungsmittel in das von Israel abgeriegelte Küstengebiet gelange, es an Treibstoff mangele und niemand sicher sei, «können wir unsere Arbeit nicht machen», hiess es in einer Mitteilung des WFP.
Bundesregierung geht von getöteter deutscher Familie in Gaza aus
Im Gaza-Krieg sind nach Angaben der Bundesregierung wohl auch deutsche Staatsbürger getötet worden. «Wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt leider davon ausgehen, dass unter den Opfern der Kämpfe in Gaza auch eine deutsche Familie ist», hiess es am Samstag auf Anfrage aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Nähere Angaben wurden nicht gemacht. Die «Süddeutsche Zeitung» berichtete unter Berufung auf Informationen von Angehörigen, dass eine sechsköpfige deutsche Familie am 25. Oktober bei einem israelischen Bombenangriff in ihrem Wohnhaus in Gaza getötet worden sei.
Geisel im Gazastreifen für tot erklärt
Ein 25-jähriger Israeli ist nach Informationen der Geiselfamilien in der Gefangenschaft der Hamas im Gazastreifen ermordet worden. Das Forum der Geiselfamilien sowie der Ortschaft Kibbuz Beeri, aus der der junge Mann stammte, teilten dies am Samstag mit. Der Student war am 7. Oktober von Terroristen aus dem Grenzort in den Gazastreifen verschleppt worden. Seine Grossmutter und sein Bruder wurden bei dem Massaker der Hamas ermordet.
Der bewaffnete Hamas-Arm, die Kassam-Brigaden, hatten am Freitag ein Video veröffentlicht. Es zeigte den 25-Jährigen zunächst lebend. Am Ende ist eine blutige Leiche zu sehen. Die Kassam-Brigaden behaupteten, er sei bei einem israelischen Befreiungsversuch getötet worden. Die israelische Armee hatte am Freitag mitgeteilt, dass bei einem Einsatz zur Rettung von Geiseln zwei Soldaten schwer verletzt worden seien – Geiseln aber nicht gerettet werden konnten.
Wieder scharfe Kritik an Guterres von Israel
In Israel gab es unterdessen erneut scharfe Kritik an UN-Generalsekretär António Guterres, weil dieser den Weltsicherheitsrat gedrängt hatte, sich für einen humanitären Waffenstillstand einzusetzen. Oppositionsführer Jair Lapid warf Guterres Antisemitismus vor.
Gaza-Krieg überschattet Wahl in Ägypten
Der Gaza-Krieg überschattet auch die an diesem Sonntag beginnende Präsidentschaftswahl in Ägypten. Das mit einer schweren Wirtschaftskrise kämpfende Land hat die Sicherheitsabsperrungen an der Grenze zum Gazastreifen verstärkt. Ägypten hat die Sorge, dass über den Grenzübergang Rafah, über den die Hilfslieferungen nach Gaza gelangen, grosse Flüchtlingsströme aus dem Gebiet kommen könnten.
Wie das Portal Axios unter Berufung auf Regierungsbeamte in Israel und den USA berichtete, hat Ägypten die USA und Israel gewarnt, dass die Flucht palästinensischer Flüchtlinge in den Sinai als Folge der israelischen Militäroperation im Süden Gazas zum Bruch in den Beziehungen zwischen Ägypten und Israel führen könnte. Präsident Abdel Fattah al-Sisi, von dem erwartet wird, dass er wiedergewählt wird, warnte zuvor, sein Land könne eine neue Kriegsfront werden.