«Wir wollen in den Profibereich»
Jakob «Köbi» Turgut Bild Olaf Schürmann
Erste Seite, Sport
8. November 2023

«Wir wollen in den Profibereich»

Köbi hat seinen Traumjob gefunden. Das spürt man. Man hat sofort das Gefühl, da sitzt einer, der für seinen Job brennt. Der geht nicht zur Arbeit, sondern lebt seine Leidenschaft. Das alles geht nur, weil Jasmine ihm den Rücken frei hält. Das weiss er und sagt es auch. Gemeinsam haben sie zwei Kinder, den dreijährigen Jaron und Jaelle, die ist gerade sechs Monate alt. Daher gibt es für das Wochenende eine klare Absprache: «An einem Tag gehe ich zwei, drei Fussballspiele schauen, der andere Tag gehört der Familie.» Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Jakob «Köbi» Turgut am Wochenende von Fussballplatz zu Fussballplatz tin-gelt, um möglichst viele Spiele live zu verfolgen. Turgut ist Technischer Leiter beim FC Rapperswil-Jona und arbeitet nebenbei für den Schweizerischen Fussballverband.

In Buttikon hat alles angefangen

Seine Begeisterung für den Sport und insbesondere für den Fussballsport war schnell geweckt. In Glarus geboren und in Buttikon aufgewachsen, hat sich der kleine Jakob schon früh mit Freunden auf dem Bolzplatz getroffen. Bernd Haas, der ehemalige Fussballprofi und heutige GC-Sportchef, gehörte auch zu dieser kickenden Rasselbande in der March. Mit zehn Jahren durfte er dann endlich zum FC Buttikon, das war 1988. Dort hat man schnell erkannt, der kann was. Von Buttikon wechselte er mit 14 Jahren nach Freienbach. Damit war seine Fussballreise bei den Junioren noch nicht beendet. Bei einem Turnier wurde er von FCZ-Scouts entdeckt. In der U-17 und U-18 spielte Turgut daher in der Stadt, beim grossen FC Zürich. «Diese Zeit hat mich enorm geprägt. Meine Trainer beim FCZ waren Köbi Kuhn, der spätere Schweizer National-trainer, und Turbo› Ruedi Elsener, der 48-fache Schweizer Nationalspieler», erzählt der 45-Jährige voller Elan und Stolz. Nach seinen zwei Jahren beim FCZ kehrte er nach Freienbach zurück.

Einmal Freienbach – fast immer Freienbach

Sein sportliches Highlight als Spieler hat Köbi Turgut auch bei seinem Stammverein in Freienbach erlebt. Das war 1999 im Cup-Achtelfinal. Da pilgerten 4400 Zuschauer zur Sportanlage Chrummen, immer noch Zuschauerrekord in Freienbach. An der Seitenlinie bei GC stand die Trainerlegende Roy Hodgson. «Bis zur 70. Minute stand es 1:1, doch am Ende mussten wir uns mit 1:2 geschlagen geben», erinnert sich Turgut. Zwölf Jahre später, ebenfalls mit dem FC Freienbach, durfte Köbi – diesmal als Trainer an der Seitenlinie – im Schweizer Cup gegen die Berner Young Boys antreten. Dieses Spiel endete mit 0:4 zugunsten der Profis.

Selbst Fussball gespielt hat er immer im offensiven Bereich, im Sturm oder auf den Flügeln. Seine Stammposition war der rechte Flügel, da er keinen so starken Schuss hatte, sollte er seine Schnelligkeit ausspielen und die Flanken gefährlich vor das gegnerische Tor bringen. 19 Jahre war er beim FCF – als Spieler und Trainer. Dazwischen war Aussenstürmer Turgut ein halbes Jahr für Glarus und kurz für Lachen/ Altendorf aktiv. «Da brauchte ich einfach mal einen Tapetenwechsel, wollte weiterhin in der Region auf gutem Niveau spielen.»

Schule, Ausbildung und zu viel Leidenschaft

Nach der Maturität in Pfäffikon hat Turgut im Jahr 2001 sein Lehramt-Studium in Rickenbach bei Schwyz begonnen. Insgesamt 16Jahre hat er in Reichenburg als Lehrer gearbeitet. Nebenbei war Lehrer Turgut schon sehr früh als Trainer tätig. 2009 hat er die zweite Mannschaft trainiert, natürlich von Freienbach. Nach zwei Jahren wurde er befördert, bis 2016 war Coach Turgut dann fürs «Eins» zuständig. Danach folgte wieder der Ruf aus der Stadt, diesmal riefen die Hoppers. Turgut sollte die U-16 von GC übernehmen. «Dort hatte ich diesen glorreichen Jahrgang. Vier Spieler davon spielen heute in der Super League.» Julian von Moos (St. Gallen), Randy Schneider (Winterthur), Marvin Keller (Young Boys) und Dion Kacuri, der immer noch bei GC spielt, haben alle den Sprung in den Profifussball geschafft. Weitere Talente aus jenem Kader sind in Österreich und Deutschland in der 2. und 3. Bundesliga unterwegs.

Nach einem Jahr als GC-Trainer war Schluss. Nicht mit GC, aber mit dem Traineramt. Mit Carlos Bernegger, ein argentinisch-schweizerischer Fussballtrainer und ehemaliger Fussballspieler, hat Turgut eng zusammengearbeitet und viel von ihm gelernt. Bei einem brisanten Spiel der U-16 war Bernegger im Anschluss hellauf begeistert vom sehr emotionalen Coaching seines Schützlings Turgut. Als Jakob Turgut anschliessend die Videoaufnahmen sah, schrillten bei ihm alle Alarmglocken. «Das war nicht ich. Mein Gesichtsausdruck war kloppomässig (Jürgen Klopp, Trainer FC Liverpool). » Trotz jener erfolgreichen Saison konnte er dennoch abends nicht mehr «abschliessen». Fand nach den Spielen keine Reset-Taste. Nach Niederlagen ging er nach Hause, ohne wirklich anzukommen. «Wir hatten vielfach Besuch von Freunden oder Verwandten und ich war zwar physisch da, aber geistig war ich völlig weg. Ich lebte wie in einer Glaskugel. Konnte mich über nichts mehr freuen.» Viele schlaflose Nächte waren die Folge. Irgendwann war ihm klar, so kann es nicht weitergehen.

Aus Lehrer und Trainer wird ein Fussballmanager

GC fand eine Lösung für den leidenschaftlichen Fussballexperten Turgut: Anstatt U-16 Trainer wurde der Märchler zum Leiter der Stufen U-15 bis U-17 befördert. Die Begleitung der Nationalspieler, die Erstellung individueller Wochenpläne, die Organisation der Elternabende gehörten zu seinen Aufgaben. Die Trainer coachen, damit die Spielprinzipien umgesetzt werden, das lag dem Lehrer. «So hatte ich den perfekten Job gefunden. Ich war im Fussball tätig, aber ich musste nicht mehr an der Seitenlinie performen. » Zwei Jahre später folgt die nächste Beförderung: vollamtlicher Ausbildungschef des FC Rapperswil-Jona. 25 Trainer führt der 45-Jährige beim FCRJ. Bei der Frage «Was macht einen guten Trainer aus?» kommt Jakob Turgut in Fahrt. Vermitteln, fördern, innovieren und Umfeld pflegen sind vier zentrale Handlungsbereiche. «Man sollte sich als guter Trainer die Frage stellen, würde ich mein Kind gerne zu mir ins Training schicken?» Ein guter Trainer für Turgut ist Urs Fischer, den er persönlich aus den Zusammenkünften der SFV-Instruktoren kennt. «Urs lebt die Werte vor, die im Fussball nicht immer sicht- und spürbar sind.» Als Technischer Leiter ist er für viele administrative Bereiche zuständig und gibt nebenbei selbst zweimal in der Woche Morgentrainings für Sportschüler. Seine Aufgaben beim FCRJ sind vielfältig: Leitung der Trainersitzungen, Erstellung von Platz-Belegungsplänen, Durchführung der SFV-Leistungstests, Planung der Sichtungen gehören dazu.

Ausbildung, Verbandsarbeit, Erfolg und Ziele

Auf die Feedback-Kultur legt Turgut grossen Wert. «Eine realistische Selbsteinschätzung ist für junge Spieler das A und O. Das Wissen, wo stehe ich und was muss ich machen, damit ich besser werde.» Trainer müssen den Spielern anfangs Hilfeleistungen bieten, je älter die Spieler werden, desto eher sollten sie selbst Handlungsempfehlungen fin-den. Grundmaxime: Eine konstruktive Spielweise bildet für den Technischen Leiter die Grundlage. Spiele zu gewinnen ist auch wichtig, aber die Umsetzung der Spiel- und Ausbildungsphilosophie ist wichtiger und nachhaltiger. Rapperswil-Jona setzt auf die Ausbildung junger Spieler. In den letzten Jahren hat der Verein jedes Jahr einen Spieler in den Profibereich gebracht. Zuletzt Tim Meyer (FC Lachen/Altendorf), der nun beim Grasshopper Club Zürich spielt.

Neben seinem Engagement beim FCRJ hat er beim Schweizerischen Fussballverband drei Mandate. Er ist Trainerausbildner. Rund 25 bis 30 Tage im Jahr leitet Turgut Trainerkurse für angehende Fussballtrainer. Ausserdem ist er für den SFV noch als Coach-Developer unterwegs. Dabei begleitet und coacht er Trainer, die den UEFA A-Diplomlehrgang absolvieren, bei Trainings, Spielen oder Kabinenansprachen. Last but not least ist der FCRJ-Manager für den SFV als Scout für die U-15-Nationalmannschaft tätig. Am Stützpunkt in Kloten selektioniert er Spieler für das erste CH-Auswahlteam.

In Rapperswil fühlt sich der Hobby-Tennisspieler rundum wohl. Das Trainerteam im Nachwuchs arbeitet sehr gut zusammen und Präsident Rocco Delli Colli unterstützt die Abteilung in allen Belangen. Dieses Vertrauensvotum sei einerseits nicht selbstverständlich und andererseits wichtig, um Strukturen zu verbessern und den Club auf die nächste Stufe zu heben. Köbi Turgut definiert das Ziel: «Wir wollen in den Profibereich. Strukturell erfüllen wir bereits heute sämtliche Bedingungen der SFL. Sportlich bin ich der festen Überzeugung, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre in der Challenge League spielen werden.» «Köbi», wir werden dich daran erinnern.

Jakob Turgut, Technischer Leiter beim FCRJ, lebt Fussball. Teil 3 unserer Serie über Trainer in der Region.

«Ich lebte wie in einer Glaskugel.» «Eine realistische Selbsteinschätzung ist für junge Spieler das A und O.»

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